Main-Echo: Sprecher kritischer Soldaten gegen Einsatz im Innern
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
»Die Soldaten sind ohnehin überlastet«, Interview im Main-Echo vom 02. August 2016 von Andre Breitenbach
Florian Kling: Arbeitskreis-Sprecher und Hauptmann sieht keine Notwendigkeit für Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr im Inland
Sie kommt so regelmäßig wie der alljährliche Bericht des Wehrbeauftragten – die Debatte um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Nach dem Anschlag in München wurde der Ruf nun besonders laut. Wir sprachen mit Florian Kling, Hauptmann der Bundeswehr und Sprecher des Arbeitskreises »Darmstädter Signal«, der sich nach eigenen Worten als »Zusammenschluss kritischer Soldaten der Bundeswehr« versteht.
Herr Kling, Ihr Arbeitskreis ist unter anderem für einen Stopp der Rüstungsexporte und eine Stärkung der Uno. Zentral ist auch Ihr Nein zu Bundeswehr-Einsätzen im Inneren. Welche Argumente jenseits der juristischen gibt es eigentlich noch?
In Deutschland muss man immer die historische Dimension betrachten. Man möchte kein Militär als Staat im Staat haben und man möchte seit Ende des Naziregimes eine klare Trennung zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit haben haben.
Kritiker sagen, es wäre an der Zeit, diese historisch begründeten Bedenken zu überwinden. Deutschland hat ja eine nun wirklich gefestigte Demokratie.
Gerade weil wir eine gefestigte Demokratie sind, haben wir auch gefestigte demokratische Regeln für den Einsatz der Bundeswehr. Es ist ja nicht so, dass die Bundeswehr im Inland nicht eingesetzt werden kann, nur darf sie eben nicht willkürlich eingesetzt werden.
Amtshilfe beispielsweise…
Genau, das ist der eine Fall, also beispielsweise vergangenes Jahr, als rund 10 000 Soldaten bei der Flüchtlingsaufnahme geholfen haben. Oder bei Unglücken und Katastrophen, wenn die Länder die Hilfe anfordern. Zum anderen gibt es den sogenannten »Inneren und Äußeren Notstand«, dazu kann man auch Terrorlagen hinzurechnen. Da geht es beispielsweise um die Bekämpfung von organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen. Deswegen muss man diese Notstandsregeln auch nicht aushebeln, so wie es jetzt versucht wird.
Wer ruft den Notstand aus?
Der Äußere Notstand – also die Feststellung des Verteidigungsfalles – wird vom Bundestags und dem Bundesrat oder einem Notparlament beschlossen. Beide können ihn auch wieder beenden. Der Innere Notstand braucht keine Formalitäten außer der Gefahr für den Bestand unseres Staates. In jedem Fall kann nicht irgendein Verteidigungsminister seine Soldaten in Bereitschaft versetzen und zum Einsatz im Inneren aufrufen, wozu es kürzlich in München fast gekommen wäre.
Der Amoklauf von München ist einer der Gründe, weswegen die Debatte wieder geführt wird. Wäre es eine Terrorattacke gewesen mit vielen Angreifern so wie 2015 in Paris, könnten Soldaten da nicht helfen, gegen Terroristen vorzugehen.
Mir fällt keine Tätigkeit ein, die Soldaten da besser machen könnten als Polizisten. Die Polizei hat die geeigneten Waffen, die geeignete Ausrüstung, sie kann sich im Ernstfall entsprechend aufrüsten. Sie ist also dafür ausgebildet und vorbereitet, um in solchen Situationen zu agieren. Dazu kommen Spezialkräfte wie die GSG 9, dann die Bundespolizei und Beamte aus benachbarten Bundesländern.
Was spräche dagegen, dass Soldaten zum Beispiel öffentliche Einrichtungen absichern?
Soldaten dürfen das bereits im Notstand. Bis es allerdings soweit ist, fühle ich mich mit der zuständigen und dafür ausgebildeten Polizei wohler.
Aber was ist, wenn es die Polizei nicht mehr alleine schafft?
Da gibt es doch schon Regelungen, in diesem Fall kann die Polizei Amtshilfe anfordern, ein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr zählt dazu aber nicht – da brauchen wir dann eben die Notstandsregelungen. Mein Eindruck ist, man möchte aus der Bundeswehr eine Hilfspolizei auf Abruf machen und das, weil man über Jahre hinweg so viel kaputtgespart hat in der Polizei und die Personallücken schließen möchte.
Aber sind Soldaten nicht geradezu prädestiniert, im Anti-Terror-Kampf zu helfen. Gerade Kräfte, die Anschläge wie in Kundus erlebt haben, kennen doch die unübersichtliche und gefährliche Situation, die nach Anschlägen herrscht…
Ein Anschlag im Ausland ist ein komplett anderes Szenario als ein Attentat in Deutschland. Anschläge im Ausland passieren oft bei Patrouillen, da müssen Hubschrauber bestellt werden, um Menschen zu retten, da muss man sich aus der Gefahrenzone zurückziehen. Das können sie ja in Deutschland nicht machen. Was die Bundeswehr jetzt schon machen darf, ist die logistische Unterstützung, also Transportkapazitäten schaffen oder auch medizinische Hilfe leisten.
Was sagen Sie zu den geplanten gemeinsamen Übungen von Soldaten und Polizisten?
Es ist völlig absurd, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jetzt sagt, die Bundeswehr müsse nun mit inländischen Behörden wie mit der Polizei üben. Es gibt doch jetzt schon die ganzen Alarmierungsketten und Notfallszenarien. Es gibt Territorialeinheiten zum Heimatschutz die seit Jahren mit den Ländern gemeinsam den Ernstfall üben.
Ein klares Nein kommt auch von den Polizeigewerkschaften. Dort heißt es, auf der einen Seite stehe die »stark hierarchisch« und auf »Befehlstaktik« ausgerichtete Bundeswehr, »auf der anderen Seite die Polizei, weniger hierarchisch mit Auftragstaktik«. Das passe nicht zusammen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, ich habe das Gefühl, da soll ein Klischee bedient werden: Hier das dumme Militär, das Hierarchien braucht und da die smarte Polizei, die flexibel agiert. Das hilft nicht und führt weg vom Kern der Sache.
Mal angenommen, es kommt soweit, was halten eigentlich Soldaten von der Idee? Rufen die: »Nicht erlaubt« und holen das Grundgesetz unter der Uniform hervor oder ist das den meisten eher egal?
Ich glaube, das ist den Soldaten überhaupt nicht egal. Es wurde den Soldaten ja auch über Jahrzehnte eingebläut, wie wichtig es ist, sich an das Grundgesetz zu halten. Im übrigen lehnt auch der Bundeswehrband einen solchen Einsatz im Inneren ab. Und schließlich sind die deutschen Soldaten durch die vielen Auslandseinsätze ohnehin überlastet.
Hintergrund: Florian Kling und der Kreis »Darmstädter Signal«
Florian Kling (29) ist Hauptmann der Bundeswehr und IT-Offizier. Er ist seit 2006 in der Truppe.
Der Offizier ist außerdem Sprecher des Arbeitskreises »Darmstädter Signal«, der sich als Zusammenschluss kritischer Angehöriger der Bundeswehr versteht.
Der Kreis wurde 1983 von 20 Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr bei ihrem ersten Treffen in Darmstadt gegründet.
Sie wandten sich nicht nur gegen die Nachrüstung mit Atomraketen in West- und Ost-Europa, sondern forderten eine kleinere, nicht angriffsfähige Bundeswehr und den Abbau aller Massenvernichtungsmittel von deutschem Boden und weltweit. Für Soldaten sollte das »Leitbild vom Staatsbürger in Uniform« verwirklicht werden. (bach)
Der Artikel ist kostenlos, mit Registrierung, im Internet hier einsehbar: http://www.main-echo.de.
Titelbild „Bundeswehr in Mittenwald“ von Flickr-User Nils Brand, unter CC-Lizenz
Veröffentlicht von mwengelke am Samstag, August 6th, 2016 @ 10:26AM
Kategorien: Meldungen
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