Kirchliche Stellungnahme zu den Leitlinien Krisenprävention
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Ausgehend von einer positiven Grundbewertung der im Juni 2017 beschlossenen Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ spricht die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) in einer Stellungnahme einige aus ihrer Sicht bestehende Schwächen und Defizite dieser Leitlinien an. Am der Veröffentlichung der Leitlinien vorangegangenen breit angelegten Konsultationsprozess mit Zivilgesellschaft, Kirchen und Wissenschaft hatte sich das Darmstädter Signal im Rahmen des Peacelab-Prozesses mit einem eigenen Beitrag beteiligt.
Die Stellungnahme steht als PDF hier zum Download bereit: 17_09_18_friedenspolitische_leitlinien_gkke_stellungnahme
Die Bundesregierung hat am 14. Juni 2017 die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ beschlossen. Diese lösen den Aktionsplan Zivile Krisenprävention ab, der von der GKKE viele Jahre konstruktiv und kritisch begleitet worden ist. Der Veröffentlichung der Leitlinien war ein breit angelegter Konsultationsprozess vorangegangen, in den auch die Zivilgesellschaft, die Kirchen und die Wissenschaft einbezogen worden sind. Dieses partizipative Verfahren hat dazu geführt, dass zentrale Forderungen von Zivilgesellschaft und Kirchen aufgenommen wurden. Ersichtlich wird dies insbesondere in dem friedenspolitischen Leitbild, das die Bundesregierung mit diesem Dokument erstmalig vorgelegt hat. Dieses ist weitgehend kompatibel mit dem von den Kirchen formulierten Leitbild des „Gerechten Friedens“. Es entwickelt eine kohärente Perspektive auf die vielfältigen internationalen Herausforderungen und eine klare friedenspolitische Vorgabe für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dazu tragen die systematischen Bezüge zur Agenda 2030, zur UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ sowie zu den entsprechenden europäischen Referenzdokumenten wesentlich bei. Auch gehört die Benennung von möglichen Zielkonflikten in Bezug auf unterschiedliche Werte und Interessen dazu.
Vor dem Hintergrund der langjährigen Zusammenarbeit mit unseren internationalen kirchlichen Partnern begrüßen wir darüber hinaus das gewachsene Verständnis für die Notwendigkeit eines langfristigen friedenspolitischen Engagements. Damit verbunden sind auch Sensibilität und Respekt für die jeweiligen kontextuellen Bedingungen, die in den Leitlinien zum Ausdruck kommen. Dies schlägt sich nicht zuletzt in einer verstärkten Wertschätzung für die Expertise und das Engagement der lokalen Partner – gerade auch der zivilgesellschaftlichen – nieder. Nur so wird es möglich sein, von einem reaktiven Krisenengagement zu einer präventiven Politik zu kommen, die diesen Namen auch verdient.
Ausgehend von dieser positiven Grundbewertung der Leitlinien als einem wichtigen Schritt zur Stärkung der Fähigkeiten der Bundesrepublik Deutschland, Gewalt zu verhindern, Konflikte mit zivilen Mitteln zu bearbeiten und den Frieden in der Welt zu fördern, möchten wir einige Schwächen und Defizite ansprechen.
Seit mehreren Jahren befasst sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der friedens- und entwicklungspolitischen Bedeutung von Religionen und Religionsgemeinschaften. Das Auswärtige Amt hat in 2016 einen eigenen Arbeitsstab zur Friedensverantwortung der Religionen eingerichtet. Das friedensfördernde und auch das Konflikte verschärfende Potenzial von Religionen und Religionsgemeinschaften ist in vielen aktuellen Kontexten in der Tat höchst evident. Unsere kirchlichen Entwicklungswerke thematisieren diesen Zusammenhang bereits seit vielen Jahren. So ist es verwunderlich, dass dieser wesentliche Teil menschlicher und gesellschaftlicher Realität in den Leitlinien nicht angemessen aufgegriffen wird. Die Thematik schließt auch das Risiko der Instrumentalisierung religiöser Gefühle und Bindungen von Menschen ein. Ohne die systematische Berücksichtigung dieser Faktoren können weder die Problemlagen noch die produktiven Handlungs- und Entwicklungspotenziale von Religionen und Religionsgemeinschaften in der Friedensförderung angemessen wahrgenommen werden.
In den Leitlinien wird der Anspruch formuliert, zu einer produktiven Lernkultur beizutragen. Dazu gehören aus unserer Sicht zwingend die Reflexion der Grenzen des eigenen staatlichen Handelns sowie die Bestimmung des Verhältnisses zu anderen zivilgesellschaftlichen oder religiösen Akteuren. Leider weist das Dokument in diesem Bereich erhebliche Defizite und Unschärfen auf. Generell ist zu beobachten, dass viele konkrete Handlungsfelder unterbestimmt und unklar bleiben, z.B. im Umgang mit belasteter Vergangenheit.
Gerade im Bereich der Wirtschaftspolitik und vor allem beim Thema deutscher Rüstungsexporte fehlt eine selbstkritische Auseinandersetzung mit möglichen eigenen Beiträgen zur Konfliktverschärfung. Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktgebiete aber können Gewaltdynamiken verstärken. Diese bezeichnende Lücke markiert aktuelle systemische Grenzen einer kohärenten Friedenspolitik, die fehlende Bereitschaft und Instrumente bzw. Verfahren, aus Fehlern zu lernen. Die Kohärenzdefizite sind gravierend und haben das Potenzial, die Glaubwürdigkeit der deutschen Friedenspolitik und damit auch deren Wirksamkeit erheblich zu beschädigen. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der Leitlinien waren die Differenzen zwischen den beteiligten Ressorts offensichtlich. Zielkonflikte, die bei derartigen Konsultationsprozessen zutage treten, müssen benannt werden und sich an dem gemeinsam formulierten Anspruch ausrichten, zivile Handlungsformen zu stärken, langfristige Perspektiven zu entwickeln sowie über die akuten Notwendigkeiten kurzfristigen Krisenmanagements hinauszuweisen. Dies wird umso dringlicher, als der wachsende Druck, die Militärausgaben zu erhöhen in Richtung des von der NATO angestrebten 2 Prozent Vorgabe – fernab von entsprechenden im Bundestag gefassten Beschlüssen – im Grundsatz kaum hinterfragt wird.
Die Leitlinien und der Prozess ihrer Erstellung stellen einen Fortschritt dar, den es in den kommenden Jahren kontinuierlich fortzusetzen gilt. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die beabsichtigte Stärkung des Beirats Zivile Krisenprävention. Damit dieser zukünftig seiner Aufgabe gerecht werden kann, eine systemisch wirksame Lernplattform zu bilden, bedarf es einer verbindlichen Zusammenarbeit. Es wird darauf ankommen, sachlich angemessene Verfahren zur Bearbeitung der notwendig auftretenden Interessenskonflikte zu entwickeln und hierfür auch die nötigen personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Andernfalls werden politische Zusagen zur Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention sowie zum Primat der Politik keine Wirkung entfalten.
Als nächster Schritt ist daher eine Umsetzungsstrategie zu entwickeln. Der neu gewählte Deutsche Bundestag sollte die weiteren Entwicklungen in den Feldern Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung kontinuierlich begleiten, z.B. in der bewährten Form eines Unterausschusses. Er sollte aktiv in die Umsetzung der Leitlinien eingebunden werden. Nicht zuletzt sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte in der Umsetzung der Leitlinien zu berichten.
Die GKKE begrüßt, dass die Bundesregierung anspruchsvolle friedenspolitische Leitlinien für ein äußerst komplexes Politikfeld formuliert hat. Die konstruktiven Gespräche zwischen Bundesregierung und den beteiligten Akteuren im Rahmen des PeaceLab 2016 Prozesses haben dazu beigetragen und sollten fortgesetzt werden, um die entsprechende Handlungsfähigkeit zu stärken. Die GKKE erwartet, dass nun eine systematische Umsetzungsstrategie entwickelt und die für das zivile Engagement notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.
Berlin, den 18. September 2017
Bild Rouaults-Christ-and-the-apostles_underCC-by_flickr-user_Ben-Sutherland
Veröffentlicht von mwengelke am Samstag, Dezember 9th, 2017 @ 2:21PM
Kategorien: Meldungen