Trauerrede für Generaloberstabsarzt Dr. Karl Demmer
Nächste Termine
Derzeit keine Termine festgelegt...
Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Trauerrede für den verstorbenen Vorsitzenden
des Förderkreises Darmstädter Signal
Generaloberstabsarzt Dr. Karl Wilhelm Demmer
von Hauptmann d.R. Florian Kling
Falckenstein-Kaserne Koblenz, 15.04.2019
Liebe Familie Demmer, verehrte Trauergemeinde,
vor ein paar Jahren haben die Teilnehmer auf dem evangelischen Kirchentag vermutlich zweimal hinsehen müssen, um zu verstehen worum es am Stand mit dunkelgelber Flagge, Friedenstaube und der Aufschrift Darmstädter Signal eigentlich ging. Denn am Stand hing unübersehbar an der Wand eine graue Dienstjacke der Bundeswehr. Dem goldenen Schmuck auf der Schulter nach war es eindeutig eine Generalsuniform. Das war die Jacke von Karl Demmer, und diesen Spaß hat er sich nicht nehmen lassen. Denn nach dem Soldatengesetz dürfen aktive und ehemalige Soldaten nie in Uniform politisch auftreten oder den Anschein erwecken, dass sie für den Dienstherrn sprechen, wenn sie sich auch einmal kritisch äußern. Mit seiner aufgehängten Uniform aber konnten wir trotzdem zeigen, dass wir Soldaten sind, die sich hier engagieren und den Stand betreiben.
Die Friedens- und Sicherheitspolitik Deutschlands kritisch zu begleiten und zu hinterfragen -diese heute wieder hochaktuelle Aufgabe hat sich der vor 36 Jahren in Darmstadt gegründete Arbeitskreis Darmstädter Signal gestellt. Der Arbeitskreis ist ein Zusammenschluss von ehemaligen und aktiven Soldaten. Ins Leben gerufen wurde er 1983 während der Nachrüstung, also in der Zeit der umstrittenen Stationierung amerikanischer Pershing 2-Raketen und Marschflugkörper in Europa und der großen Demonstration im Bonner Hofgarten. Die Angst vor einem alles vernichtenden Atomkrieg war auch in Teilen der Bundeswehr verbreitet. Und weil das Darmstädter Signal die einzige Soldaten-Organisation war, die sich gegen die seinerzeit vorherrschende Sicherheitspolitik aussprach, schloss sich der damalige Offizier Karl Demmer diesem Arbeitskreis an.
Seither ist Karl Demmer dabei und hat uns in jeglicher Form unterstützt, seit 2003 im Förderkreis und seit 2013 als Vorsitzender des Förderkreises. Als Sprecher des Arbeitskreises durfte ich mit Karl Demmer seit mehreren Jahren zusammenarbeiten. Geworben von unserem Gründer und jahrzehntelangem Sprecher des Arbeitskreises Helmuth Prieß, folgte er früheren prominenten Vorsitzenden unseres Förderkreises wie u.a. den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Konrad Gilges und Gernot Erler oder auch dem großen alten Mann der deutschen Friedensbewegung Horst Eberhard Richter. Für diesen Einsatz sind wir vom Darmstädter Signal Karl Demmer ewig dankbar.
In der Zeitschrift „Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1/2019“ ist ein Interview mit ihm und Flottenarzt Dr. Hartmann erschienen. Darin sagte Karl Demmer: „Es ging für mich und meine Mitstreiter immer darum, die Innere Führung als entscheidende Grundlage für das Miteinander in der Bundeswehr zu platzieren und zu leben“. Und genau das tat er auch bei uns als Kamerad, Vereinsmitglied und Vorsitzender mit seiner ausgleichenden und ruhigen Persönlichkeit.
Wie stark ihm unsere Arbeit und die Innere Führung am Herzen lagen, zeigte sich auch darin, dass er bei jedem einzelnen Wochenendseminar, seit ich mich erinnern kann, immer anwesend war und die Diskussionen begleitete. Man hat einfach sofort gemerkt, dass er mit seiner tiefen und lauten Stimme, die den ganzen Saal erfüllt hat, Autorität, aber auch Warmherzigkeit ausstrahlte. So hatte er auch aus dem Stegreif immer eloquente Reden und Begrüßungen für unsere Mitglieder und Gäste übrig, hat regelmäßig unsere Vereinssitzungen eröffnet und bei den Jubiläumsfeiern die Honoratioren begrüßt und uns durch seine guten Verbindungen in die Bundeswehr zu vielen Seminaren auch Gastredner aus der Bundeswehr organisiert – mehrfach im Generalsrang.
Karl Demmer war als Alt-86er mit rotem Parteibuch einfach immer voll und ganz in seinem Charakter und Handeln politisch. Er war nicht politisch wie man das vielleicht heute falsch verstehen würde – er krakeelte nicht in den Medien seine Meinung hinaus, saß nicht bei „Hart aber fair“ oder „Anne Will“ , er stand nicht auf der Straße und demonstrierte, sondern er übernahm Verantwortung in der Gesellschaft und setzte sich im Rahmen seiner Möglichkeiten mit seiner ganzen Person für seine Überzeugungen ein. Es gibt immer deutlich mehr Soldaten, die erst nach ihrer Karriere und nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr ihre Meinung offen sagen und für ihre Überzeugungen eintreten als vor dem Dienstzeitende. Unter höchster Loyalität hat Karl Demmer es aber auch bereits in seiner Dienstzeit immer geschafft, das eine mit dem anderen zu vereinen und sich selbst treu zu bleiben und seinen Anspruch an sich selbst im Dienst zu verwirklichen. Auch deshalb spielten für ihn das Thema Fürsorge und auch die Verbindung zum Roten Kreuz – dem Wahrer des Humanitären Völkerrechts – so eine wichtige Rolle in seinem Dienst.
Karl Demmer sah unserer heutigen Zeit mit ihren neuen politischen Auseinandersetzungen und Konflikten auch in Europa besonders kritisch und besorgt entgegen. In dieser „kopflosen Zeit“ wie er es nannte, fürchtete er vor allem, dass es wieder zu einem Krieg kommen könnte, welcher in seinem Ausmaß so groß wäre, dass die derzeit geltenden medizinischen Standards nicht mehr eingehalten werden könnten. Und dabei hat er Anfang der 90er Jahre mit dem Leiter des russischen Sanitätsdienstes Wasserball gespielt und gedacht: „Jetzt ist Frieden“! Dass ihm diese Freundschaft unter den Völkern so wichtig war – auch wenn sich die Politiker nicht immer verstehen –, sehen wir am Russischen Marsch, der gleich noch gespielt wird. Ein russisches Stück hat bei seinem Großen Zapfenstreich zum Abschied aus der Bundeswehr leider nicht geklappt, aber heute wird es gespielt.
Wie sehr ihm der Zustand der Bundeswehr in den letzten Jahren nahe ging, spürte ich in seinen regelmäßigen Dankes-E-Mails an mich immer dann, wenn wir als Darmstädter Signal einmal wieder unsere Kritik in der Öffentlichkeit äußerten.
So hilfreich und kameradschaftlich er mir in meiner Sprecherfunktion zur Seite gestanden ist und regelmäßig Mut zusprach, so stark hatte er auch für alles und jeden anderen ein offenes Ohr und bot Hilfe an. Viele einsatzgeschädigte Soldaten, Kameraden mit PTBS, konnte Karl Demmer an die richtigen Stellen verweisen und ihnen medizinische Hilfe zukommen lassen. Dass er einfach für jeden ein Herz hatte, war vielleicht auch seine größte Marotte. Er war nämlich so hilfsbereit, dass er sich wirklich jede Geschichte, und sei sie noch so verrückt, bis zum bitteren Ende anhören musste. Anschließend erzählte er mir einmal belustigt davon, dass ihm wieder mal Jemand die gesamte Busfahrt zum Seminar ein Ohr abgekaut hätte, obwohl er keine Ahnung hätte, wer das eigentlich gewesen sei.
Kurz vor seinem Tod durften wir Karl Demmer bei der Vorstandssitzung des Förderkreises im Januar in Swisttal noch einmal bei Suppe und Wein sehen. Es ging ihm bereits sichtlich schlecht – aber er war da, organisierte mit und war wie immer inhaltlich voll bei der Sache. Für dieses letzte Vorstandstreffen und Wiedersehen mit Karl Demmer bin ich sehr dankbar. Es erinnert mich an den immer rührigen Staatsbürger in Uniform – den politischen Karl Demmer – den Mann mit so viel Charakter und dieser warmen und lauten Stimme und der Hilfsbereitschaft für Jedermann.
Noch einmal möchte ich Karl Demmer zitieren und damit auch meine Rede beenden: „Immer noch gibt es Kriege, und man hat fast den Eindruck, solche Konflikte entsprechen einem Grundbedürfnis von Menschen. Dabei ist das Entscheidende nicht die Auseinandersetzung, sondern doch die Versöhnung.“ Lieber Karl, für Dich gibt es jetzt keinen Krieg mehr und für uns und die Hinterbliebenen hoffen wir auf möglichst viel Versöhnung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Veröffentlicht von mwengelke am Dienstag, April 16th, 2019 @ 8:46PM
Kategorien: Meldungen