Sicherheitspolitische Stellungnahme des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“ zu den Themen Wehrpflicht, Kampfdrohnen und Rechtsextremismus vom 16. Juli 2020
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Zur aktuellen sicherheitspolitischen Diskussion
Zur Zeit stehen vor allem drei Themenbereiche im Vordergrund:
Der Vorschlag der neuen Wehrbeauftragten, Eva Högl, die Wehrpflicht wiederzubeleben, die Frage, ob die Bundeswehr auch unbemannte bewaffnete Flugkörper, sogenannte „Kampfdrohnen„, erhalten soll (wollen tut sie das ja) und die bekanntgewordenen Vorfälle in der Bundeswehr, die extremistische, verfassungsfeindliche Tendenzen in der Bundeswehr zu Tage gefördert haben. Dazu ist festzustellen, dass die Diskussion z. T. wenig sachlich geführt und an den wahren Problemen vorbeiargumentiert wird. Wir möchten daher zu allen drei Fragen aktuell unsere Auffassung darlegen:
1. Wehrpflicht wiederbeleben?
Die Wehrpflicht wurde nach ca. 55 Jahren im Zuge der Streitkräftereform auf Veranlassung des damaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg aus gutem Grund ausgesetzt. Frau Högl hängt der illusionären Auffassung an, über das Instrument der Wehrpflicht die in der Tat besorgniserregenden rechtsextremistischen Tendenzen in der Bundeswehr verringern zu können. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit bezeugen das exakte Gegenteil: Über 90% der meldepflichtigen „Besonderen Vorkommnisse“ betreffs Rechtsextremismus wurden von Wehrpflichtigen verübt. Diesbezüglich wäre die Wiederbelebung der Wehrpflicht also sogar schädlich. Viel wichtiger und wirksamer wäre eine sorgfältige Personalauswahl sowie die intensive, umfassende politische Bildung des Soldatennachwuchses im Sinne des Leitbildes vom „Staatsbürger in Uniform“. Vor allem wäre eine solche Zwangsmaßnahme derzeit juristisch aber auch gar nicht haltbar. Der Verzicht der Ministerin, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, ist daher richtig, ihr ist in diesem Punkt voll beizupflichten.
2. Kampfdrohnen beschaffen?
Der Wunsch, Kampfdrohnen zu beschaffen, entstand angesichts der „Bedrohung“ in Gebieten, die statt mit bemannten Luftfahrzeugen und ihrer aufwändigen Logistik mit Drohnen besser, billiger und mit weniger Risiko für die Besatzungen abdeckbar wären. Dies trifft in weit entfernten Gebieten wie Irak oder Afghanistan – mit Ausnahme der behaupteten Bedrohung, die von dort nicht ausgeht – zu. Es ist ferner richtig, dass es ethisch und rechtlich kaum eine Rolle spielt, ob die Steuerung eines Kampfmittels von Bord oder vom Boden aus erfolgt, auch wenn es per Joystick einfacher geht. Wir lehnen Kampfdrohnen ab. Sie würden auch in den Auslandseinsätzen Bombardierungen ermöglichen, die von Piloten aus rechtlichen und aus Gründen ihres Gewissens bisher abgelehnt wurden, oder wo – im Fall zunehmender Automatisierung – keine oder nur noch viel weniger „handverlesene“ willige Pilotinnen und Piloten benötigt würden. Dass diejenigen, die solche illegalen Kriege befürworten, sich Drohnen wünschen, ist schon daran zu erkennen, dass in unseren Medien das rechtstreue Verhalten von Besatzungen in der Regel nicht erwähnt wird, wohl um solche Einsätze aus der Diskussion zu halten. So finden sich z.B. wenige, in den sogenannten „Qualitätsmedien“ überhaupt keine Berichte zu den Bedenken immerhin mehrerer Piloten, die 1999 mit Verweis auf Art. 25 GG ihre Mitwirkung am Jugoslawienkrieg ihrem Eid gehorchend verweigerten. Da ein Angriff auf Deutschland nicht zu erwarten ist, würden Kampfdrohnen vor allem in selbstgemachten Kriegen Verwendung finden. Bombardierungen aus der Luft in illegalen Einsätzen sollten unserer Auffassung nach nicht erleichtert werden. Statt dessen muss die Bundeswehr wieder zur Einhaltung des Völkerrechts bewogen werden. Siehe dazu auch Punkt 3.
3. Zu den Vorfällen im Kommando Spezialkräfte (KSK)
Die Masse der Vorfälle, die mit Toleranz und Rechtstreue nichts mehr zu tun haben und bis zu Verachtung bestimmter Menschengruppen reichen, ereignet sich nicht im KSK, sondern im Rest der Streitkräfte, auch wenn es in Verbänden mit besonderem Korpsgeist, besonderer Geheimhaltung und vor allem dem Anforderungsmerkmal des uneingeschränkten Willens zur Umsetzung des Auftrags naturgemäß stets relativ mehr Exzesse geben wird. Die Abschaffung falscher Vorbilder auf höchster Ebene und die Rückbindung an die Verfassung generell ist angesichts der Verbreitung falscher Einstellungen in der Bundeswehr Voraussetzung für einen Erfolg. Es genügt nicht, wie in unseren Medien oft versucht, nur das KSK zum „Blitzableiter“ zu machen. Die politische Bildung muss priorisiert und Verfassungstreue auch ausschließlich vorgelebt werden.
Insbesondere muß das Parlament in die Lage versetzt werden, sein Recht und seine Pflicht zur demokratischen Kontrolle des KSK wahrzunehmen. Da diese Kontrolle gemäß unserer Verfassung vor allem durch das Parlament erfolgen soll, dürfen Auftrag und Gebaren nicht unter unter absoluter Geheimhaltung verbleiben. Darüber hinaus ist in einem demokratischen Staatswesen auch die für die Öffentlichkeit unabdingbare Transparenz hinsichtlich der Aktivitäten des KSKs zu verbessern.
Abgesehen von unzureichenden Möglichkeiten zur Kontrolle dieser Spezialtruppe mangelt es aber auch im Rest der Bundeswehr erheblich an Verfassungstreue. Wir begrüßen daher die Aussage des Präsidenten des MAD-Amts, nicht nur das KSK und rechtsextreme Vorfälle zu untersuchen, sondern zweifelhafte Verfassungstreue in der Bundeswehr insgesamt. Es ist sehr erfreulich, dass auch die Medien solche Meinungen nicht mehr gänzlich verschweigen. So wurden z.B. Anfang Juli 2020 mehrere Interviews mit dem Sprecher unseres Arbeitskreises, Florian D. Pfaff geführt, die das Problem insgesamt kritisch beleuchten. Siehe:
https://darmstaedter-signal.de/meldungen/zum-thema-rechtsextremismus-und-bundeswehr-gab-der-sprecher-des-arbeitskreises-darmstaedter-signal-interviews/
Veröffentlicht von mwengelke am Donnerstag, Juli 16th, 2020 @ 8:07PM
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