80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Vortrag von Wolfram Wette: Kreuzzug gegen den Bolschewismus. NS-Propaganda zur Rechtfertigung des Überfalls und deren Fortwirkung im Kalten Krieg
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Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Am 22. Juni 1941 überfiel Deutschland die Sowjetunion. Auch nach achtzig Jahren gehört dieses Verbrechen nicht zur Gedenkkultur Deutschlands. Der Militärhistoriker Prof. Dr. Wolfram Wette, Mitglied im Beirat des Fördervereins Darmstädter Signal, hielt am 21. Juni 2021 in Freiburg einen Vortrag zu diesem Thema. Aus dieser historischen Perspektive erscheint der Antikommunismus des Kalten Krieges als ein ideologisch verbrämter antislawischer Rassismus. Es ist zu befürchten, dass das gegenwärtig wieder um sich greifende Russland-Bashing daran nahtlos anknüft. Achtzig Jahre haben nicht genügt, um dem Leid der etwa 27 Millionen getöteten Menschen der Sowjetunion einen gebührenden Platz in Deutschland einzuräumen. Es ist an der Zeit, das Gedenken an die Verbrechen Deutschlands während dieses Krieges in der Sowjetunion auch zu einem Teil des deutschen Alltags werden zu lassen. Eine Zukunft Europas und damit Deutschlands ist nur möglich durch gemeinsame gegenseitige Sicherheit. Der Antislawismus darf nicht Staatsräson sein. Der Aufruf am Ende des Vortrages verdient alle Unterstützung.
Vom gleichen Autor auch ein Beitrag für die Wochenzeitschrift ZEIT, wir danken dem Autor für die Freigabe.
Heute vor 80 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. Von Beginn an und in der Durchführung war dieser Angriffskrieg ein völkerrechtswidriges Verbrechen. Auf der deutschen Seite forderte er mehr als 3 Millionen Menschenleben, auf der sowjetischen gar die unglaubliche Zahl von 27 Millionen, darunter mehr Zivilisten als Soldaten. In der Sowjetunion gab es kaum eine Familie, die keinen Toten zu beklagen hatte. Dort erinnert sich noch heute jede russische Familie an diesen Krieg. Und jedes Jahr wird eine große Siegesparade begangen.
Auf der deutschen Seite verlor mehr als jeder zweite der im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Wehrmachtsoldaten im „Ostkrieg“ sein Leben. Aber die Erinnerung an diesen Krieg war in Deutschland noch nie lebendig. Heute gerät er zunehmend in Vergessenheit. Politik und Medien klammern das Thema weitgehend aus. Für die jungen Deutschen, die eine dritte und vierte Nachkriegsgeneration bilden, ist dieses historische Großereignis bereits unendlich weit weg. Die Zeitzeugen sind abgetreten. In den Familiengesprächen beschäftigt man sich kaum noch mit diesem Krieg Im kulturellen Gedächtnis von heute hat der „Russlandkrieg“ bei weitem nicht den Stellenwert, den er haben müsste.
Demgegenüber ist dieser Krieg in Russland und in den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion stets präsent – nicht nur bei der alljährlichen Siegesparade in Moskau. Diese unterschiedlichen Erinnerungskulturen wirken sich naturgemäß auch in der gegenwärtigen Politik aus.
Warum rede ich heute zum 80. Jahrestag des Überfalls? Ich möchte meine Motive mit ein paar autobiographischen Anmerkungen erläutern. Geboren 1940, schnappte ich in den ersten Nachkriegsjahren, während meiner Volksschulzeit in einem württembergischen Dorf, die Ansicht der Älteren auf: „Glücklicherweise befinden wir uns in der amerikanischen Besatzungszone und nicht in der russischen.“ Warum man diesen Unterschied machte, begriff ich seinerzeit nicht. Als Gymnasiast – 1950er Jahre – hörte ich immer wieder bedrohliches Geraune über eine angeblich große Gefahr. Das Schlagwort lautete: „Die Russen kommen!“ Das hat damals mit dazu beigetragen, dass ich nach dem Abitur freiwillig zur Bundeswehr gegangen bin. Dort erlebte ich dann, wie das Bedrohungsszenario konkret gezeichnet wurde: Die Russen, die Sowjets, das war der Feind, das waren die Bösen, gegen deren aggressive Absichten man sich schützen musste. Man konnte den Eindruck gewinnen, „als hätte 1941 die Sowjetunion das Deutsche Reich überfallen und nicht umgekehrt“. So brachte es einmal Heinrich Albertz, der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, auf den Punkt.[1]
Vor dem Hintergrund des unverstandenen Zweiten Weltkrieges und der allgegenwärtigen Gefahr, dass der Kalte Krieg in einen heißen umschlagen könnte, beschäftigte ich mich dann in meinem politikwissenschaftlichen Studium wie auch in meiner Doktorarbeit schwerpunktmäßig mit dem Problem der Kriegsursachen und mit der propagandistischen Rechtfertigung von kriegerischer Gewalt in der Geschichte. Als ich nach dem Studium im Freiburger Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) als Historiker arbeitete, lernte ich, dass es nicht nur historische Tatsachen gibt, sondern auch geschichtspolitische Kontroversen über alle möglichen Fragen, die wissenschaftlich eigentlich schon geklärt zu sein schienen. Innerhalb dieser Forschungsinstitution fanden langjährige und heftige Auseinandersetzungen, in denen sich auch generationelle Konflikte spiegelten: Von der NS-Propaganda geprägte Kriegsteilnehmer auf der einen Seite, wissenschaftsorientierte 1968er auf der anderen. Im Zentrum der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen stand wiederum der deutsch-sowjetische Krieg.
Forschungsergebnisse aus dem MGFA flossen später in die sogenannte Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung ein, die 1995 bis 2004 in vielen Städten Deutschlands gezeigt wurde. Mehr als eine Millionen Menschen besuchten sie und machten sich mit den neuen Forschungsergebnissen vertraut. Ob der damalige Lernprozess tiefgreifend war oder nicht, wissen wir nicht.
Nach dem Ende des Kalten Krieges 1989/90 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde es für uns Historiker einfacher, mit Kolleginnen und Kollegen in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Verbindung zu treten. Seit den 1990er Jahren fanden in Russland wiederholt internationale Historikerkonferenzen, auf denen es – was sonst! – erneut um den deutsch-sowjetischen Krieg ging. Ich konnte an diesen Konferenzen mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes teilnehmen und wertvolle, auch freundschaftliche Verbindungen knüpfen. Das sind also meine biographischen Bezüge zu unserem heutigen Thema.
Überleitend möchte ich an eine wichtige Lehre aus der Geschichte der Kriege erinnern: In Kriegszeiten – auch schon in Spannungszeiten – herrscht eine eigene Logik, die Kriegslogik, in der die Wahrheit geopfert wird. Zum Zwecke der Schuldabwälzung operieren Aggressorstaaten in der Regel mit Verteidigungslügen. Die Kriegspropagandisten sind so etwas wie raffinierte Blindenführer und können in dieser Rolle hochgefährlich sein.
Damit sind wir bei meinem eigentlichen Thema:
Kreuzzug gegen den Bolschewismus. Die NS-Propaganda zur Rechtfertigung des Überfalls und deren Fortwirkung im Kalten Krieg
Die führenden deutschen Politiker der Nazi-Zeit waren zugleich ihre besten Propagandisten. Sie wussten genau, was sie taten, als sie vor 80 Jahren die ungeheuerliche Kriegsfurie gegen die Sowjetunion entfesselten. Wie aber erklärten sie das den eigenen Soldaten, der deutschen Bevölkerung und der ganzen Welt? Man war ja desorientiert: Es gab die strikte militärische Geheimhaltung, und die deutsche Propagandaleitung hatte im Vorfeld des Überfalls ein außenpolitischen Verwirrspiel inszeniert. So vermochte sich im Juni 1941 kaum jemand einen Reim auf die Absichten der deutschen Führung zu machen. Die deutschen Soldaten ahnten allenfalls, dass „etwas in der Luft lag“, wie man einigen Tagebuchaufzeichnungen entnehmen kann. Aber letztlich waren sie genau so überrascht wie die deutsche und die internationale Öffentlichkeit.[2]
Zur Erinnerung: Seit dem 23. August 1939 gab es einen deutsch-sowjetischen Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag. Die beiden Staaten befehdeten sich seitdem auch nicht mehr – und nun herrschte plötzlich der Kriegszustand. Die deutsche Führung nahm in Kauf, dass sich Deutschland jetzt sich in einem Zweifrontenkrieg befand, wovor man eigentlich immer gewarnt hatte. Hitler und die willfährige Wehrmachtgeneralität glaubten, das Problem ließe sich auf die leichte Schulter nehmen, denn – so glaubte man – die Sowjetunion sei ein „tönerner Koloss“, der unter dem deutschen Ansturm in wenigen Wochen zusammenbrechen werde.
- Die Proklamationen der NS-Führung zum 22. Juni 1941
Am Tag des Überfalls, dem 22. Juni 1941, wandte sich Hitler mit einem Aufruf an die mehr als drei Millionen „Soldaten der Ostfront“. Darin hob er auf die Großartigkeit des kriegerischen Unternehmens ab. Wörtlich: „In diesem Augenblick, Soldaten der Ostfront, vollzieht sich ein Aufmarsch, der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt je gesehen hat. […] Wenn diese größte Front der Weltgeschichte nunmehr antritt, dann geschieht es nicht nur, um die Voraussetzung zu schaffen für den endgültigen Abschluss des großen Krieges überhaupt oder um die im Augenblick betroffenen Länder zu schützen, sondern um die ganze europäische Zivilisation und Kultur zu retten.“[3] So die übliche Kriegsrhetorik, die zu schützen und zu retten vorgab.
Hitler behauptete weiter, seit über zwei Jahrzehnten habe „die jüdisch-bolschewistische Machthaberschaft von Moskau aus versucht, nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa in Brand zu stecken. Nicht Deutschland hat seine nationalsozialistische Weltanschauung nach Russland getragen, sondern die jüdisch-bolschewistischen Machthaber in Moskau haben unentwegt versucht, unserem und den anderen europäischen Völkern ihre Herrschaft aufzuoktroyieren, und dies nicht nur geistig, sondern vor allem auch machtmäßig.“[4]
Damit war der Spieß herumgedreht, die eigene Kriegsschuld geleugnet und die Sowjetunion ins Unrecht gesetzt: Sie habe Europa in Brand stecken und unterwerfen wollen. Die gesamte Rechtfertigungs-Propaganda operierte mit der suggerierten Bösartigkeit der jüdisch-bolschewistischen Machthaber und den ideologischen Gegensätzen. Das zentrale machtpolitische Ziel der deutschen Führung wurde dagegen nicht einmal angedeutet. Die Eroberung von „Lebensraum im Osten“, seine Ausbeutung und Germanisierung, also Besiedelung. Erreichen ließ sich das nur durch die Vernichtung all jener Menschen, die es wagen sollten, sich den Deutschen entgegenzustellen. Der Tod von Millionen ziviler Bürger der Sowjetunion war fest eingeplant und nicht etwa ein Zufallsprodukt.
2. Feindbild Bolschewismus
Das zentrale Feindbild lautete also: Die „jüdisch-bolschewistische Machthaberschaft“ in Moskau. Es ist nützlich, zu wissen, dass es von den Nazis nicht neu erfunden, sondern lediglich reaktiviert wurde. Denn dieses Feindbild war bereits 1918, im Jahr der deutschen Revolution, im militärischen und nationalistischen Milieu geläufig. So notierte der in Berlin stationierte Fregattenkapitän Bogislaw von Selchow am 11. November 1918 in sein Tagebuch „Vormittags ging ich auf das Reichs-Marine-Amt, auf dem die rote Fahne wehte. Davor stand ein jüdischer Bolschewik in Zivil mit einer Flinte Posten. Es war alles wie ein Traum.“[5]
Offenbar handelte es sich um einen Angehörigen der revolutionären Volksmarinedivision. Für den adligen Marineoffizier personifizierte er sowohl den „Bolschewismus“ russischer Prägung – also Revolution, Umsturz, Gottlosigkeit, Gewaltherrschaft –, als auch das „Judentum“ mit ihrem vermeintlichen Bestreben, der Welt seinen Stempel aufzudrücken. Im Kopf des Marine-Offiziers war das Feindbild also bereits komplett ausgebildet, mit dem die Soldaten der Wehrmacht 23 Jahre später in den Krieg gegen die Sowjetunion zogen.
Ein Wort zum Begriff Bolschewismus: Er bezeichnete zunächst eine russische sozialrevolutionäre Partei, die in der Duma, dem Parlament, über die Mehrheit verfügte. In der Revolutionszeit 1918/19 wurde sie auch anderen sozialrevolutionären Parteien und Bewegungen in Europa aufgepfroft und mutierte zum Feindbild der Antibolschewisten. International setzte sich jedoch der Begriff Kommunismus durch. Man denke etwa an die Kommunistischen Parteien Frankreichs, Italiens, Vietnams,. Kubas oder Chinas.
Nach dem Machtantritt 1933 gingen die Nazis innenpolitisch sogleich auf Konfrontation mit dem „Bolschewismus“. Die NS-Propaganda behauptete, das nationalsozialistische Deutschland sei das „Bollwerk“ zur Rettung der abendländischen Kultur vor dem Bolschewismus. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Spanien im Sommer 1936 operierte die NS-Führung mit dem Slogan „Bolschewismus gleich Weltfeind Nr. 1“.[6] Charakteristisch war die pauschale Verwendung des Begriffs „Bolschewismus“ für alle politischen Strömungen und Personen, die aus NS-Sicht „links“ waren.
3. „Das Gesetz, nach dem wir angetreten sind“
Goebbels, der Propagandaminister, atmete bei Kriegsbeginn 1941sichtlich auf. Er notierte: „Es bereitet jedem alten Nazi eine tiefe Genugtuung, dass wir das noch erleben. Das Zusammengehen mit Russland war eigentlich ein Flecken auf unserem Ehrenschild. Der wird nun abgewaschen. Wogegen wir unser ganzes Leben gekämpft haben, das vernichten wir nun auch.“[7]
Die Führung des NS-Staates stellte fortan das tradierte nationalistische und rassistische Russlandbild in das Zentrum ihrer Kriegspropaganda. Den unterschiedlichen Entwicklungsgrad beider Länder erklärte sie biologisch: Die höherwertige germanische Rasse stehe der minderwertigen slawischen gegenüber. Das war auch der Kern von Hitlers Russlandbild. Er glaubte, Slawen seien zur Staatsbildung selbst unfähig und würden daher von anderen beherrscht. So habe im Jahre 1917 der „jüdische Bolschewismus“ in Russland seine Fremdherrschaft errichtet.[8] Hitler behauptete, die Träger des bolschewistischen Systems seien großenteils Juden, woraus sich für ihn ergab, dass sich der deutsche Vernichtungskrieg gegen Juden und Bolschewisten richten müsste.
4. „Verbrecherische Befehle“ und Wehrmacht-Binnenpropaganda
Je näher der Zeitpunkt zur Entfesselung des von Hitler und der Wehrmachtführung geplanten Krieges gegen die Sowjetunion rückte, in desto stärkerem Maße propagierte Hitler intern den Gedanken des „Weltanschauungskrieges“. Hinter diesem harmlos daherkommenden Begriff verbarg sich die Idee eines radikalen Vernichtungskrieges.
In seiner Geheimrede vom 30. März 1941 vor 250 Generälen des späteren Ostheeres stellte Hitler die Weichen für die weiteren Kriegsvorbereitungen. Hier sprach er Tacheles. Er sagte, dass es um einen rassenideologisch motivierten Vernichtungskrieg gegen den „jüdischen Bolschewismus“ gehen werde.[9] Hitler bezeichnete den Bolschewismus als „asoziales Verbrechertum“ und leitete daraus die Direktive ab, dass es in diesem Krieg „auf die Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz“ ankomme. Vom Gedanken des soldatischen Kameradentums müsse man abrücken. Der Rotarmist sei „vorher und nachher kein Kamerad“ – weder als kämpfender Soldat noch als Kriegsgefangener.[10] Was bedeutete, dass russische Kriegsgefangene keinen Schutz genossen und dem Tode geweiht waren.
Die Wehrmacht-Generalität verstand und stimmte zu. Manche Historiker sehen darin den absoluten Tiefpunkt der preußisch-deutschen Militärgeschichte. Ganz im Sinne Hitlers brachten das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und das Oberkommando des Heeres (OKH) dann jene militärischen Anordnungen auf den Weg, die wir Historiker rückblickend als „verbrecherische Befehle“ qualifizieren. In den „Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Russland“ wurde der Bolschewismus definiert als „Todfeind des nationalsozialistischen deutschen Volkes“. Der Kampf richte sich, heißt es in gewollter Unschärfe, gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure und Juden, damit gegen alles, das irgendwie mit Bolschewisten und Juden zu tun hatte. Politkommissare, die den Status von Soldaten hatten und daher wie Kriegsgefangene hätten behandelt werden müssen, sollten sofort mit der Waffe „erledigt“ werden. Gewalttätigkeiten von Wehrmacht und SS gegen die feindliche Zivilbevölkerung war freie Hand gegeben und den Tätern Straffreiheit zugesichert.
In einem Mitteilungsblatt der Wehrmachtpropaganda vom Juni 1941, das allen Soldaten zur Kenntnis gebracht, hörte sich die Strategie des Weltanschauungs- und Vernichtungskrieges so an: „Es geht darum, das rote Untermenschentum, welches in den Moskauer Machthabern verkörpert ist, auszulöschen. Das deutsche Volk steht vor der größten Aufgabe seiner Geschichte. Die Welt wird erleben, dass diese Aufgabe restlos gelöst wird.“[11] Mit der herkömmlichen Vorstellung von einem Krieg nach den Regeln des Völkerrechts hatte das nichts zu tun. Das konnte auch jeder erkennen, wenn er es nur wollte.
Es gab also eine perfekt durchorganisierte Indoktrination der Wehrmacht. Sie folgte dem Ziel, militärische Führung und Truppe gleichermaßen auf das Erfordernis einer extrem inhumanen, vom Vernichtungsgedanken geprägten Kriegführung einzuschwören.[12] Sie führte dazu, dass etwa 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion ihr Leben verloren, dass Tausende von Städten und Dörfern dem Erdboden gleichgemacht und ein gigantischer Kunstraub durchgeführt wurde. Mehr als alle anderen Länder, die am Zweiten Weltkrieg beteiligt waren, haben die Völker der Sowjetunion die Last dieses Krieges tragen müssen. Das sind Fakten, die jeder Deutsche wissen sollte.
5. „Kreuzzug Europas gegen den Bolschewismus“
Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion setzte europaweit eine antibolschewistische Bewegung in Gang. Für die deutsche Propaganda war das der Anlass, in der Auslandspropaganda verstärkt die europäische Dimension des Krieges Deutschlands und seiner Verbündeten gegen die Sowjetunion zu betonen. Das Auswärtige Amt erklärte in einer Verlautbarung vom 29. Juni 1941: „Der Kampf Deutschlands gegen Moskau wird zum Kreuzzug Europas gegen den Bolschewismus. Mit einer über die Erwartungen hinausgehenden Anziehungskraft erfasst die Erkenntnis, dass es hier um die Sache Europas geht, den ganzen Kontinent, Freunde, Neutrale und selbst jene Völker, die noch vor kurzem mit Deutschland die Klingen gekreuzt haben.“[13]Ribbentrops Propagandisten rechtfertigten den Krieg als „säkulare Auseinandersetzung zwischen den Kräften der Zerstörung und denen der Erneuerung“. Das „Böse“ fest im Auge, logen die NS-Propagandisten den deutschen Angriffskrieg in einen „Abwehrkampf“ um. Sie behaupteten, jetzt werde verteidigt, was Europa „in tausendjährigen Kämpfen, Arbeiten und schöpferischen Leistungen zum Mittelpunkt aller menschlichen Kultur und Gesittung gemacht“ habe.[14]
Den militärischen Teil der Verschleierung der Wirklichkeit deckte die NS-Propaganda mit der Präventivkriegs-Propaganda ab, auf die ich hier nicht näher eingehen werde. Nur so viel: Diese Facette der Propaganda suggerierte, Deutschland habe zwar angegriffen, aber mit seinem Angriff sei es lediglich einer sowjetischen Aggression zuvorgekommen.[15]
Darüber hinaus ging es der NS-Führung darum, die deutsche Aggression als einen „gerechten“ Krieg erscheinen zu lassen und ihn mit nichts Geringerem als dem Nimbus der Heiligkeit auszustatten.[16] Für eine solche religiöse Sinngebung waren die Deutschen aufgrund der traditionellen Nähe der Kirchen zu deutschnationalen Auffassungen in hohem Maße ansprechbar. Wenn die evangelische und die katholische Kirche den Krieg gegen den „gottlosen Bolschewismus“ unterstützte, und das taten sie durchgängig, trugen sie auf ihre Weise zur Kampfmotivation der Soldaten bei. Auch hier können wir von einem Tiefpunkt in der Geschichte der beiden christlichen Großkirchen sprechen.
6. Das Fortwirken des aggressiven Antikommunismus im Kalten Krieg
Nach Kriegsende verschwand das Feindbild „jüdischer Bolschewismus“ zunächst in der Versenkung – um alsbald in neuem Gewande wieder aufzuerstehen. Der rassistische Begriff „jüdisch“ entfiel jetzt, und statt „Bolschewismus“ war jetzt von „Kommunismus“ die Rede. Der Feind blieb jedoch der gleiche: die Sowjetunion und ihre angeblichen Handlanger im Inneren, die man als „Fünfte Kolonne Moskaus“ denunzierte. Im Hinblick auf die Verwendung des traditionsbelasteten Feindbildes gab es 1945 also keine „Stunde Null“, sondern vielmehr eine bemerkenswerte und wirkmächtige Kontinuität.
Dem Denkmuster der Totalitarismus-Theorie verpflichtet[17], schätzte die US-amerikanische Administration die Sowjetunion – und im weiteren Sinne den Weltkommunismus – ebenso wie den Nationalsozialismus als diktatorische Herrschaft und als latent aggressiv ein. Auf dieser Basis reaktivierte die westliche Großmacht zur Rechtfertigung ihrer Eindämmungspolitik das alte antibolschewistische bzw. antikommunistische Zerrbild.[18]
Das führte in den 1950er Jahren zu einer neuerlichen Vergiftung der internationalen Beziehungen. Feinddenken versperrte einmal mehr den analytischen Blick auf das nationale Interesse und Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion, die sich nicht erneuten deutschen oder westlichen Angriffen ausgesetzt sehen wollte.[19]
7. Kooperation mit den westlichen Siegermächten im Geiste des Antikommunismus
Die neue Mächtekonstellation führte im westlichen Teil Deutschlands zu erstaunlichen Formen der Zusammenarbeit auf der Ebene der Geheimdienste, des Militärischen und der Propaganda.[20] Noch vor der deutschen Kapitulation nahm der militärische Geheimdienst „Fremde Heere Ost“ des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) unter General Reinhard Gehlen Verbindungen mit der US-Army auf. Dazu hatten sich die Geheimdienstler den Segen des Interims-Staatsoberhaupts Dönitz eingeholt. Wes‘ Geistes Kind der Marineoffizier war, können wir seinem Aufruf vom 1. Mai 1945 entnehmen. Dort verkündete er wahrheitswidrig, Hitler habe bis zu seinem letzten Atemzug gegen den Bolschewismus gekämpft, und diesen „Kampf gegen den Bolschewismus“ wolle er, Dönitz, nun weiterführen.[21] Tatsächlich nahm die US-Army nahm die Gehlen-Truppe alsbald unter ihre Fittiche und versicherte, deren Tätigkeit liege im gemeinsamen deutsch-amerikanischen Interesse „an der Verteidigung gegen den Kommunismus“.
Dem gleichen Ziel dienten auch jene 328 höheren Wehrmachtoffiziere, die sich in amerikanischer Kriegsgefangenschaft bereitfanden, in der „Historical Division“ der US-Army auf der Basis der deutschen Operationsakten Studien über das militärische Geschehen im Osten zu verfassen. Der vormalige Generaloberst Franz Halder begründete seine Kooperationsbereitschaft und die seiner Kameraden – ebenso wie zuvor schon Dönitz und Gehlen – mit dem Argument, es gehe darum, „den Kampf gegen den Bolschewismus fortzusetzen“.
Eine Schlüsselfigur für das Fortwirken der antibolschewistischen Propaganda über die politische Zäsur des 8. Mai 1945 hinweg war der NS-Funktionär Eberhard Taubert (1907-1978).[22] Während des Krieges hatte er als Chefpropagandist des Goebbels-Ministeriums gegen den Bolschewismus gewirkt. Nach dem Krieg arbeitete er unter anderem für den britischen und den amerikanischen Geheimdienst. 1958 holte ihn Verteidigungsminister Franz-Joseph Strauß (CSU) als Berater für das neu eingerichtete Referat „Psychologische Kampfführung“ in sein Ministerium. Somit verkörpert Taubert wie kaum ein anderer ein halbes Jahrhundert antibolschewistische und antikommunistische Propaganda in Deutschland – sowohl vor als auch nach 1945.
8. Ein deutsches Trauma: „Die Russen kommen!“
Die nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Westdeutschland eine weit verbreitete Angst vor „den Russen“. Sie speiste sich unter anderem aus den Kriegserfahrungen und aus der nationalsozialistischen Propaganda. Eine besondere Rolle spielte die Gräuelpropaganda der Nazis in der letzten Kriegsphase, die unter Hinweis auf die große Zahl von Vergewaltigungen durch Soldaten der Roten Armee zum fanatischen Durchhalten aufrief.[23] Die Kampagnen der Nazis in der Kriegsendephase hinterließen ihre Spuren in den Köpfen der Menschen, ebenso wie andere Erfahrungen der Deutschen – Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung, Zusammenbruch der politischen und militärischen Macht des Hitler-Staates. Am Ende betrachteten sich die besiegten Deutschen zunehmend als die „eigentlichen Opfer“. Sie ergingen sich in Selbstmitleid und verdrängten die Tatsache, dass sie selbst ihre Lage verschuldet hatten.
Geschürt wurden die Bedrohungsängste durch die antikommunistische und antisowjetische Propaganda der 1950er Jahre.[24] Aber es steckte mehr dahinter: Man befürchtete – nur selten offen ausgesprochen –, die auf Rache sinnenden Russen könnten den Deutschen womöglich das antun, was diese in den Kriegsjahren 1941-1944 den zu Untermenschen herabgewürdigten Russen angetan hatten. Wir haben es mit dem klassischen Falle einer Projektion zu tun. Die Russenfurcht erlaubte es vielen Deutschen weiterhin, ein gutes Gewissen zu haben und das eigene Böse zu verdrängen. Mithilfe dieser erneuten Schuldabwehr gelang es den Anhängern der Politik Adenauers, in die Rolle des – potentiellen – Opfers sowjetischer Aggression schlüpfen. Das ist eine m. E. zentrale Erkenntnis, die in der historisch-politischen Literatur bislang kaum die nötige Aufmerksamkeit gefunden hat.
Im Sommer 1950 trafen sich ehemalige hochrangige Offiziere der Wehrmacht auf Geheiß von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) im Eifelkloster Himmerod, um im Geheimen über die Aufstellung einer „neuen Wehrmacht“ zu beraten. Diese wurde – wie vormals die alte Wehrmacht – „auf einen den gesamten Kontinent Europa umfassenden Kampf ausgerichtet, […] von den Dardanellen bis nach Skandinavien‘“.[25] Notfalls sollte dieser Kampf auch mit Atomwaffen geführt werden.
Verbesserungen des internationalen Klimas in Europa brachte die von Bundeskanzler Willy Brandt initiierte deutsche Entspannungs- und Ostpolitik der 1970er Jahre. Aber in den Köpfen der vielen Gegner dieser Politik lebten und leben die alten Feindbilder jedoch fort. In den ausgehenden 1980er Jahren, als sich das Ende des Kalten Krieges ankündigte, klang die Idee eines „Friedens mit der Sowjetunion“ für Viele wie Zukunftsmusik.[26]
In der Sowjetunion wurde die feindselige Haltung der Deutschen in der Bundesrepublik stets mit großem Befremden wahrgenommen. Das teilte uns exemplarisch der russische Deutschland-Kenner und hochrangige sowjetische Politiker Nikolai Portugalow (1928-2008) im Jahre 1989 mit. Die Deutschen, sagte er, hätten eine große, „nicht-anerkannte und unbereute Schuld“ auf sich geladen. Und weiter: „Die Ungeheuerlichkeit des Vorgangs, dass gerade die Deutschen unermessliches Leid über unser Land gebracht hatten, ist nicht nur an dem materiellen Schaden zu messen, auch nicht nur an den Toten, den Verkrüppelten, an der Verwüstung, der verbrannten Erde und dergleichen mehr. Der Vorgang, schon der Wille, die Sowjetunion zu vernichten, ist ungeheuerlich. Das hätten wir in unserer Geschichte wohl vielleicht von Tartaren erwartet, im frühen Mittelalter, aber doch nicht von den Deutschen!“[27] Nikolai Portugalow war als Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU und als Berater von Parteichef Michail Gorbatschow auf sowjetischer Seite führend an der Wiedervereinigung Deutschlands beteiligt.[28] Er gehörte zu jenen Russen, die trotz des Zweiten Weltkrieges auf eine deutsch-russische Symbiose hofften, und leistete dazu unter anderem mit der Übersetzung von Werken von Bertolt Brecht und Heinrich Böll in die russische Sprache einen eigenen Beitrag.
Es ist leider nicht zu erkennen, dass dieses Engagement zu einer dauerhaften Aussöhnung beigetragen hat. Stattdessen registrieren wir heute erneut Warnungen etwa des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Russland sei eine Bedrohung für den Frieden.[29] Es wird leicht vergessen, dass nicht die Russen, sondern die Deutschen den Menschen in zwei Weltkriegen unermessliches Leid zugefügt haben.
Wir befinden uns heute an einen Tiefpunkt der deutsch-russischen Beziehungen, wie man fast täglich in unseren Zeitungen lesen kann.[30] Die Ursachen für diese Entwicklung müssten in einem eigenen Vortag behandelt werden. Ich möchte die Brücke zur Gegenwart bauen, in dem ich Ihnen einen Aufruf zu Gehör bringe, der zum 22. Juni 2021 in einer russischen und einer deutschen Zeitung veröffentlicht wird, und der auch meine Unterschrift trägt.
Ein Aufruf zum 22. Juni 2021 in der russischen Zeitung „Kommersant“
Lasst uns endlich Frieden schließen
Am 22. Juni 2021 jährt sich zum 80. Mal der faschistische Angriff auf Russland und die Völker der Sowjetunion. Für uns, die Unterzeichner, ist dieser Tag ein Tag der Trauer, der Scham und des Nachdenkens über eigene historische Schuld. Von deutschem Boden, geplant von deutschen Politikern, ging ein beispielloser Vernichtungskrieg aus, geboren aus politischer Hybris und Rassismus gegen die Völker der Sowjetunion, besonders die Juden und andere Minderheiten. Er brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte allein in der Sowjetunion mehr als 27 Millionen Opfer, vor allem aus Russland, der Ukraine und aus Belarus.
Es ist Teil der Verantwortung unserer Generation, dass niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf. Denn zur Geschichte Europas gehört auch, dass die Sowjetunion unter großen Opfern den Faschismus besiegt und Deutschland von dieser Ideologie befreit hat. Zur Geschichte des deutsch-russischen Verhältnisses gehört ebenso, dass die Sowjetunion und ihr Rechtsnachfolger Russland maßgeblich die Wiedervereinigung Deutschlands und ein Ende des Kalten Krieges ermöglicht haben.
Wir wissen: Frieden in Europa gelingt nur, wenn auch Russland Teil der Lösung ist.
Deshalb rufen wir die Politiker Europas in Ost und West auf: Bewegt Euch! Verlasst endlich die Sphäre und die Logik des Kalten Krieges! Nicht die Panzertruppen oder Rüstungszahlen müssen wachsen, sondern die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Macht es, wie es die Menschen in Russland, Deutschland und Europa in der konkreten Arbeit in Städtepartnerschaften, im Jugendaustausch, in Wirtschafts- und Wissenschaftskooperationen tun. Verlasst die mentalen Gefängnisse der Feindbilder, Ressentiments und Ängste! Lasst uns endlich Frieden schließen! Die Völker Europas warten schon lange darauf.
Dies ist die Lehre des 22. Juni. Und dafür stehen wir.
Der Aufruf wurde initiiert von Adelheid Bahr, Peter Brandt, Reiner Braun, Daniela Dahn, Martin Hoffmann, Michael Müller, Matthias Platzeck und Antje Vollmer.
F.d.R. Prof. Dr. Wolfram Wette, Am Moosrain 1, 79183 Waldkirch, 21.5.2021, Mitunterzeichner.
Vortrag gehalten in der Fabrik Vorderhaus Freiburg, am Montag, den 21. Juni 2021.
[1] Albertz wird zitiert von Robert Probst: Wider die merkwürdige Vergesslichkeit. In: Süddeutsche Zeitung, 21.6.2021, S. 14.
[2] Wolfram Wette: Die propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. In: Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette (Hrsg.), „Unternehmen Barbarossa“. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941. Paderborn 1984, S.. 111-129, hier: S. 112-114.
[3] Hitlers Aufruf an die „Soldaten der Ostfront“ vom 22.6.1041. In: ebda., Teil IV: Ausgewählte Dokumente, S. 319-323, hier: S. 323.
[4] Ebda., S. 319 f.
[5] Michael Epkenhans: „Wir als deutsches Volk sind doch nicht klein zu kriegen …“. Aus den Tagebüchern des Fregattenkapitäns Bogislaw von Selchow 1918/19. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen 55 (1996), S. 199.
[6] Joseph Goebbels: Der Bolschewismus in Theorie und Praxis. In: Der Parteitag der Ehre vom 8.-14.9.1936. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongressreden. München 2. Aufl. 1936, S. 97-124, hier: S. 103.
[7] Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Hrsg. von Elke Fröhlich, Bd. 4, München, New York 1987, Eintrag vom 16.6.1941, S. 650.
[8] Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden. Frankfurt/M. 2002, S. 26.
[9] Ebda., S. 95 ff.
[10] Siehe u.a. Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941 – 1945. Stuttgart 1978, Neuausgabe Bonn 1997.
[11] Mitteilungen für die Truppe, hrsg. vom Oberkommando der Wehrmacht/WFSt/WPr (IIe), Nr. 112, Juni 1941. Bibliothek des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Freiburg, heute: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften, Potsdam.
[12] Die „verbrecherischen Befehle“ sind dokumentiert in Ueberschär/Wette, Unternehmen Barbarossa (wie Anm. 1), Teil IV.
[13] Die Erklärung des AA ist abgedruckt in: Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe) Nr. 179 vom 28. Juni 1941.
[14] Ebda.
[15] Umfassende Widerlegung dieser Propagandabehauptung in den Bänden: Bianka Pietrow-Ennker (Hrsg.): Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Frankfurt/M. 2011; Gerd R. Ueberschär, Lev A. Bezymenskij (Hrsg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Präventivkriegsthese. 2. Aufl. Darmstadt 2011.
[16] Arno J. Mayer: Der Krieg als Kreuzzug. Das Deutsche Reich, Hitlers Wehrmacht und die „Endlösung“. Reinbek 1989, S. 333 f.
[17] Erhard Eppler: Die Totalitarismustheorie und ihre Wirkung auf unser Verhältnis zur Sowjetunion. In: Frieden mit der Sowjetunion. Eine unerledigte Aufgabe. Hrsg. v. Dietrich Goldschmidt u.a. Gütersloh 1989, S. 508-521.
[18] Bernd Stöver: Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947-1991, München 2007, S. 68 f.
[19] So auch das Memorandum „Frieden mit der Sowjetunion“ (wie Anm. 15).
[20] Vgl., auch zum Folgenden, Wolfram Wette: Militärpolitik in Deutschland nach dem 8.5.1945. In: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 24 (1996), Heft. 1./2, S. 7-20.
[21] Arno J. Mayer, Krieg als Kreuzzug (wie Anm. 14), S. 655.
[22] Siehe den Eintrag: de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_Taubert sowie Klaus Körner: Von der antibolschewistischen zur antisowjetischen Propaganda. Dr. Eberhard Taubert, in: Sywottek, Arnold (Hrsg.): Der Kalte Krieg – Vorspiel zum Frieden?, Münster/Hamburg 1993, S. 54-68.
[23] Die Gräuelpropaganda konnte aber auch das Gegenteil zur Folge haben, wie unter anderem die selbstmörderischen Panikreaktionen in der Stadt Demnin belegen. Siehe Volker Ullrich: Acht Tage im Mai. Die letzte Woche des Dritten Reiches. München 2020, S. 50-53.
[24] Reiner Albert/Gottfried Niedhart: Vom System- zum Machtkonflikt: Die Sowjetunion in der westdeutschen Bedrohungswahrnehmung. In. Arnold Sywottek (Hrsg.), Der Kalte Krieg – Vorspiel zum Frieden? Münster u.a. 1994, S. 69-101.
[25] Detlef Bald: Kämpfe um die Dominanz des Militärischen. In: Detlef Bald/Johannes Klotz/Wolfram Wette: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege. Berlin 2001, S. 17-65, hier: S. 23 f.
[26] Memorandum „Frieden mit der Sowjetunion“ (1989) (wie Anm. 15).
[27] Nikolai Portugalow: Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion. In: Frieden mit der Sowjetunion, S. 402-418, hier: S. 405 u. 411.
[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Sergejewitsch_Portugalow
[29] Beispielweise durch den Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn. Siehe die dpa-Meldung: Generalinspekteur der Bundeswehr hält Russland für große Bedrohung. In: https://www.nzz.ch/international/generalinspekteur-haelt-russland-fuer-grosse-bedrohung-ld.1476552
[30] Jan Dörner: „Russische Normüberschreitungen“. Die Beziehungen des Westens zu Russland sind auf dem Tiefpunkt – US-Präsident Biden will mehr Berechenbarkeit einfordern. In: Badische Zeitung, 14. Juni 2021, S. 2.
Veröffentlicht von mwengelke am Montag, Juni 21st, 2021 @ 10:23PM
Kategorien: Meldungen, Positionen
Habe noch selten eine klarere Stellungnahme von einem deutschen Historiker gelesen… Prof. Wette hebt die Wirkung der Propaganda auf die Gemüter und Koepfe der damaligen Zeit hervor. Wenn Kriegsproganda so verheerend wirkt, hat das auch seine Ursachen darin, dass tief verwurzelte Ueberzeugungen und Einstellungen wachgerufen werden. Diese Einstellungen und Ueberzeugungen – ein Psychologe sagte einmal „das, was am Grunde der Seele ruht“ – sind nicht das Resultat von Parolen, die kurzfristig in die Welt gesetzt werden. Jahrzehntelange psychologische, propagandistische Vorarbeit musste geleistet werden, damit der „Untermensch“, die Slawen z.B., als die schrecklichsten Menschen „wahrgenommen“ werden konnten. Als Monster sozusagen.
Geschichtsrevisionismus und Rassimus gehören unabdingbar zusammen. Der in Deutschland grassierende Geschichtsrevisionismus wird leider noch nicht ernst genug genommen. Gerne empfehle ich eine Publikation. Autor ist Ernst Weiss, sein Roman heisst „Der Augenzeuge“. Zu Zeiten des Aufstiegs Hitlers war die moderne Tiefenpsychologie, Freud und Adler, zwar in ihrer Ausbreitung noch in der Kinderschuhen, jedoch waren Freud und Adler und ihre Befunde bereits für die faschistischen Cliquen gefährlich. Die seelische Verfassung der Menschen, die mit Hitler jubelten, wird von Weiss dargelegt, was wohl auf lebensgeschichtlicher Erfahrung beruhte. Hitler war ein Irrer, im buchstäblichen Sinn des Wortes. Ein Volk von Dichtern und Denkern verfiel ihm, Ausnahmen gab es auch. Wie war das moeglich?