„Deutsche Krieger. Vom Kaiserreich zur Berliner Republik – eine Militärgeschichte“
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
So lautet ein neues Buch des Historikers Sönke Neitzel. Im Friedensblog von Clemens Ronnefeldt, Friedensreferent des deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungbsundes wird u.a. auf dieses Buch hingewiesen:
Liebe Friedensinteressierte,
am 21. Oktober 2020 hatte ich zum Hinweis auf mein Interview mit Andreas Zumach auch einige Grundlagentexte zum Thema „Interventionsmacht Deutschland“ hinzugefügt.
Dieses Thema möchte ich heute noch einmal aufgreifen – und anhand der folgenden Beiträge deutlich machen, dass m.E. diesbezüglich ein erheblicher politischer und juristischer Handlungsbedarf besteht.
Im folgenden F.A.Z.-Artikel stellt Julia Encke das Buch des Historikers Sönke Neitzel: „Deutsche Krieger. Vom Kaiserreich zur Berliner Republik –
eine Militärgeschichte“. Propyläen Verlag, 816 Seiten, 35 Euro, vor.
Für seine Recherchen hat er mit rund 200 Zeitzeugen gesprochen, von denen die meisten noch aktive Soldaten sind.
Bundeswehr-Enthüllungen:
Eine Welt für sich
Von Julia Encke
Aktualisiert am 25.10.2020
Gab es Kriegsverbrechen der Amerikaner in Afghanistan und illegale Einsätze von Bundeswehrsoldaten im ehemaligen Jugoslawien?
Die spektakulären Enthüllungen des Historikers Sönke Neitzel in seinem neuen Buch „Deutsche Krieger“ – und erste Reaktionen darauf aus der Politik.
(…) Im Kapitel „Die Bundeswehr in Afghanistan“ stellt Neitzel fest, dass „selbst hartgesottene Soldaten des KSK erschüttert“ waren, „als ihnen Amerikaner nonchalant davon berichteten, wie sie gefangene Taliban exekutierten“. Man muss diese Stelle zweimal lesen. Amerikanische Soldaten haben gefangene Taliban exekutiert? Das wäre ein Kriegsverbrechen. Wann geschah das? Wo? Weitere Details sucht man hier aber vergebens.
Im selben Kapitel stellt Neitzel fest, „dass es in den Stäben durchaus unterschiedliche Auffassungen von legitimer und illegitimer Gewalt gab, auch Meinungsverschiedenheiten über die Rolle der Amerikaner im Land“. (…)
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Mit welchen Mitteln die US-Regierung die Untersuchung solcher mutmaßlicher Kriegsverbrechen von US-Soldaten in Afghanistan zu verhindern sucht, zeigt der nachfolgende Artikel:
3. September 2020, 18:24 Uhr Fatou Bensouda: Keine strahlende Moralistin
(…) Dem Vorwurf, dass der Gerichtshof bis heute nicht die Traute habe, sich mit den wirklich Mächtigen wie den USA anzulegen, ist Bensouda in jüngerer Zeit entgegengetreten. 2012 ist sie von der Position der stellvertretenden Chefanklägerin an die Spitze aufgerückt.
Sie hat dann versucht, Ermittlungen auch wegen möglicher amerikanischer Kriegsverbrechen in Afghanistan einzuleiten – beharrlich und im Streit gegen manche Ermittlungsrichter in Den Haag, denen die Traute offensichtlich fehlt.
Die Regierung der USA hat von Beginn an abgeblockt. Am Mittwoch nun hat US-Außenminister Mike Pompeo zudem eine Drohung wahrgemacht und Fatou Bensouda sowie einen hochrangigen Mitarbeiter auf die Sanktionsliste gesetzt. Das heißt, sie werden gleichgesetzt mit Terroristen, ihr Vermögen in den USA kann eingefroren werden. (…)
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Dass ISAF-Soldaten an schwersten Kriegsverbrechen beteiligt waren, davon berichtete bereits im Jahr 2008 das Buch von
Achim Wohlgethan, Endstation Kabul. Als deutscher Soldat in Afghanistan – ein Insiderbericht, Berlin, 2008, S. 78:
„Ich wurde nun Augenzeuge, wie ISAF-Soldaten sehr unkonventionell testeten, ob das Gelände an dieser Stelle vermint war – und zwar mit Äpfeln! Dazu winkten die Soldaten die vielen Kinder heran, die auf dem Schießplatz leere Messinghülsen sammelten, weil diese bares Geld wert waren. Dann griffen die Soldaten hinter sich in eine Kiste mit Äpfeln, hielten sie den Kindern vor die Nase und schmissen sie ins Gelände. Dann warteten sie ab, was passierte. Wenn die Kinder losliefen und es keinen Knall gab, wurde dieses Feld als geklärt und unvermint betrachtet“.
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Völlig neu sind die Aussagen des Historikers Sönke Neitzel nicht. Ähnliche Stimmen drangen bisher kaum durch und blieben weitgehend folgenlos – was sich nun ändern könnte.
Jürgen Heiducoff, ehemaliger militärpolitischer Berater der Bundesregierung in Kabul, zuvor Leiter Aufklärung und Sicherheit der „Kabul Multinational Brigade“ der ISAF, schrieb bereits in der Ausgabe 6/2009 der Zeitschrift „Friedensforum“:
https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/volksaufstand-und-versoehnung-in-afghanistan-ein Volksaufstand und Versöhnung in Afghanistan – ein langer Prozess
von Jürgen Heiducoff
(…) Dabei zeigte sich auch in westlichen und afghanischen Medien eine Verrohung der Sprache, indem von einer „Liquidierung“ oder „Vernichtung“ von Aufständischen oder Taliban, also Menschen gesprochen wurde. Auch dies dürfte nicht der Entspannung und Aussöhnung dienlich sein. Der Hass wurde künstlich geschürt, indem afghanische Armee oder Polizei die Leichen des Feindes zum Teil zu Hunderten der Öffentlichkeit „präsentierte“. Auch ein Krieg rechtfertigt nicht alle Mittel! Nach jeder Behauptung, im Verlaufe von Luftangriffen seien Zivilisten getötet oder verletzt worden, begann ein regelrechtes Feilschen um deren Anzahl, wenn nicht das Dementi seitens westlicher Kommandeure und Pressesprecher.
Viele getötete Zivilisten wurden im Verlaufe der Arbeit von Untersuchungskommissionen den Aufständischen zugeordnet, da sie bewaffnet gewesen seien oder weil man Waffen in ihrem Haus gefunden habe. Aber – die Paschtunen tragen Waffen oder haben diese zu Hause – seit Jahrhunderten. Dies gehört zur Ehre eines paschtunischen Mannes.
Wenn allein die Tatsache des Waffenbesitzes die Zugehörigkeit zu den Aufständischen bestimmt, dann sind alle Paschtunen Rebellen und dann gibt es keine Zivilisten unter den Paschtunen. Ein solcher Ansatz zöge jedoch die Frage des Völkermordes nach sich.
Westliche Militärs versuchen die durch sie verursachten zivilen Verluste damit zu entschuldigen, dass die Aufständischen Zivilisten als menschliche Schutzschilder benutzen. Wie auch anders?
Die Aufständischen sind Angehörige dieser Zivilisten, der Familien in der Region. Wohin soll denn der Bauernsohn nach der Ausführung eines Anschlages oder nach der Teilnahme an einem Feuergefecht fliehen, wenn nicht in den Hof der eigenen Familie? Dies ist doch den Militärs der NATO oder der US-geführten Koalitionstruppen bestens bekannt. Wenn sie dennoch bombardieren, ist es folgerichtig, dass sie den Tod von Zivilisten bewusst in Kauf nehmen. Und eben dies ist nicht hinnehmbar!
Wöchentlich mehrmals wiederholten sich folgende taktische Einsatzverfahren: ein westlicher Militärkonvoi wurde von Aufständischen angegriffen. Die Angreifer zogen sich in der Regel sofort in ein sicheres Gehöft zurück. Die Angegriffenen forderten Luftnahunterstützung (Close Air Support) an. Wenn die Kampfflugzeuge oder -hubschrauber vor Ort waren, hatten die Aufständischen ihren Stellungswechsel längst vollzogen. Ihre neuen Standorte waren die Dörfer – was sonst?
Erwarten die westlichen Militärs etwa, dass der Feind sich freiwillig auf offenem Feld zur Vernichtung oder Liquidierung bereit hält? Wenn also, wie in den meisten Fällen, dann Bomben oder Raketen gegen die Dörfer zum Einsatz kamen und zivile Opfer einkalkuliert wurden, war dies ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen und damit gegen das Internationale Kriegsvölkerrecht. (…)
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Charlotte Wiedmann hat in der Berliner „taz“ nachdenkenswerte Gedanken zum „Vormarsch des Militarismus“ veröffentlicht:
https://taz.de/Charlotte-Wiedemann/!a1607/
28.10. 2020 Vormarsch des Militarismus: Vom Mythos der Reife
Charlotte Wiedmann Ist politisch erst erwachsen, wer Truppen ins Ausland schickt?
Ein törichtes Narrativ, von den Grünen erfunden, bedrängt nun die Linkspartei.
28. 10. 2020
(…) Wer heutzutage nach Argumenten gegen eine militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder sucht, muss sich nicht mehr auf Pazifismus berufen. Die Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte liefern allen Grund, Interventionen mit höchster Skepsis zu betrachten: vom Experiment Kosovo, wo 60.000 Nato-Soldaten in einem Gebiet von der halben Größe Schleswig-Holsteins eingesetzt wurden, über die Kriege in Irak und Libyen bis zum Desaster in Afghanistan.
Keine Entsendung, ob mit oder ohne deutsche Beteiligung, hat auch nur im Entferntesten jene Ziele erreicht, die zu Beginn versprochen wurden. Wären Fakten von Bedeutung, müsste es heute leichter sein, gegen Waffengänge zu plädieren. Dennoch ist das Nein geächtet. Weil es kaum mehr abweichende Welterklärungen gibt, kaum Alternativen zu den allgegenwärtigen sicherheitspolitischen Mythen, die – grob umrissen – den Planeten aufteilen in ein aggressives Russland, ein herrschsüchtiges China, einen schiitischen Krisenbogen und ein migrationswütiges Afrika.
Erstmals wurde dieses Jahr das Nato-Manöver „Steadfast Noon“, bei dem auch deutsche Piloten den Einsatz US-amerikanischer Atomwaffen trainieren, nicht mehr geheim gehalten. Nuklearwaffen offensiv zu bewerben gehört zur neuen Ausrichtung der Nato; die Öffentlichkeit nimmt es hin. (…)
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Hinweisen möchte ich noch einmal – wer diesen Hinweis am 21.10.2020 nicht gesehen hat – auf zwei Veröffentlichungen, die für stärkeres deutsches militärisches Engagement werben – den bisherigen katastrophalen Erfahrungen mit deutschen Auslandseinsätzen zum Trotz:
Martin Jäger, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat am 6.9.2020 in der F.A.Z einen Gastbeitrag veröffentlicht mit dem Titel: „Neue strategische Lage – Deutschland sollte interventionsfähig sein“.
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Die neue Studie der Münchner Sicherheitskonferenz vom Oktober 2020 trägt den Titel „Zeitenwende – Wendezeiten“ – und fordert ebenfalls mehr deutsches militärisches Engagement:
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Drei Friedensaktionen möchte ich empfehlen:
Unter dem Link:
https://drohnen-kampagne.de/informationen-materialien/mitmachen/
gibt es Möglichkeiten zum Engagement und zur Unterzeichnung des Appell „Keine Kampfdrohnen!“
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Zur Unterzeichnung empfehlen möchte ich auch die nachfolgende Resolution der „Demokratischen Linken 21“ in der SPD:
https://dl21.zusammenhandeln.org/resolution_ablehnung_drohnen
Resolution zur Ablehnung von bewaffneten Drohnen Werden Drohnen als Waffen eingesetzt, ist der Trend zu autonomen Fähigkeiten eingeleitet und auch der Verlust menschlicher Kontrolle über das Auslöschen menschlichen Lebens.
Hier geht es zur Unterschrift:
https://dl21.zusammenhandeln.org/resolution_
Veröffentlicht von mwengelke am Mittwoch, November 4th, 2020 @ 9:08AM
Kategorien: Meldungen, Positionen