Eine neue Entspannungspolitik? Neue Ansätze sind nötig! Ein Überblick
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Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Ulrich Frey, langjähriger stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises Darmstädter Signal, fordert eine neu Entspannungspolitik. In diesem Dokument blickt er nicht nur auf den Ost-West-Gegensatz im Kalten Krieg und seine schrittweise Überwindung zurück – ein Geschehen, dass viele mit der eigenen Haut erlebt haben -, sondern liefert einen Ausblick auf das, was gegenwärtig nötig und möglich ist: Eine non-konfrontative Außenpolitik Deutschlands und Europas mit Russland und China. Ulrich Frey ist dazu in besonderer Weise in der Lage, da er diese Zeiträume auch aus eigener Anschauung durch sein langjähriges Engagement in der Friedensbewegung überblickt.
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Eine neue Entspannungspolitik? Neue Ansätze sind nötig! Ein Überblick[1]
Entspannungspolitik ist überlebenswichtig, wie die Weltuntergangsuhr (Doomsday-clock) offenbart. Sie steht nach Berechnung des Boards der Atomwissenschaftler in Washington D.C. am 27. Januar 2021 erneut auf 100 Sekunden vor Mitternacht, so weit wie noch nie.[2] Trotz der mit der Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten verbundenen Hoffnungen auf Verbesserungen schätzen die Atomwissenschaftler heute die Gefahr einer nuklearen Katastrophe als weitaus größer ein als in den Zeiten des Kalten Krieges Anfang der 60er und 80er Jahre, als die Welt mehrmals kurz vor dem Abgrund stand. Sofort stellt sich die alte penetrante Frage zur Abschreckung und zu Atomwaffen: „If deterrence fails …?“. Darin steckt die Forderung nach einer neuen Entspannungspolitik. Wir erinnern uns an den ernsthaft erwogenen Einsatz von Atomwaffen in der Kubakrise 1962. Nach dem Beginn der Kubakrise am 24. Oktober 1962 antwortete der zweite sowjetische U-Boot-Kommandant Wassili Archipow mit „Nein“, als der erste Kommandeur, der fälschlicherweise von einem amerikanischen Angriff ausging, fragte, ob der bereit liegende nuklear bestückte Torpedo abgeschossen werden sollte.[3] Tage danach, am 28. Oktober 1962, stoppten John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow die Vorbereitungen zum Atomwaffeneinsatz, indem sie den Abzug der sowjetischen Mittelstreckenraketen aus Kuba und der amerikanischen Raketen aus der Türkei und Italien vereinbarten. Dies war die erste Rüstungskontrollvereinbarung zwischen USA und UdSSR.
Der frühere Sowjet-Offizier Stanislaw Petrow verhinderte in der Nacht vom 25./26. September 1983 möglicherweise einen atomar geführten Weltkrieg „aus Versehen“.[4] Als er in dem Luftüberwachungszentrum nahe Moskau auf dem Bildschirm den Anflug von fünf US-Raketen in Richtung Sowjetunion bemerkte, meldete er seinen Vorgesetzten keinen Angriffsalarm, sondern einen Fehlalarm. Wie sich erwies, war es tatsächlich ein Fehlalarm. „Ich wollte nicht schuld sein am Dritten Weltkrieg“ sagte Petrow später dazu. Menschen wie Stanislaw Petrow, die ihr Gewissen sprechen lassen, wünschen wir uns in der Politik und im Militär.[5] Auch der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry hatte mehrfach erlebt, wie das Raketenfrühwarnzentrum sowjetische Raketenangriffe meldete und die USA den „Gegenschlag“ mit strategischen Atomwaffen vorbereiteten, der aber in letzter Minute gestoppt wurde.[6]
In dem folgenden Beitrag wird die deutsche Entspannungspolitik im internationalen Zusammenhang analysiert. Beginnend bei der erfolgreichen Formel Egon Bahrs „Wandel durch Annäherung“ [7] und der Charta von Paris (1) ist einzugehen auf die Erosion der Entspannungspolitik (2) und die Kontroversen um eine neue Entspannungspolitik (3). Aufzugreifen sind Impulse für eine neue Entspannungspolitik (4). Abschließend werden im Rückblick auf die Wurzeln der Entspannungspolitik mögliche neue Ansätze in schwieriger Zeit betreffend die Kernproblematik von Abrüstung und Aufrüstung sowie Chancen in den USA, Russland und Europa (5) diskutiert. Es folgt ein zusammenfassendes Fazit (6).
1. Erfolgreiche internationale Entspannungspolitik mit Egon Bahrs „Wandel durch Annäherung“ (1963) und der Charta von Paris (1990)
Die deutsche Entspannungspolitik [8] ist nicht denkbar ohne die Anfänge in den USA und in Europa. Der amerikanische Präsident John F. Kennedy beschloss 1963 als Lehre aus der knapp vermiedenen atomaren Katastrophe der Kubakrise 1962 und als Folge der oben erwähnten ersten „Rüstungskontrollvereinbarung“ von 1962 zwischen Washington und Moskau eine „Strategy of Peace“. Sie sollte die ‚Pax Americana‘ ersetzen. Moskau zog die Atomraketen aus Kuba ab, die USA ihre aus der Türkei und aus Italien. Diese „Strategy of Peace“ war ein erster Schritt einer amerikanischen Entspannungspolitik und Ausgangspunkt für die der deutschen Politik. Egon Bahr, damals Pressesprecher von Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, präsentierte im Juli 1963 in der Evangelischen Akademie Tutzing dessen Überlegungen für eine „neue Ostpolitik“ als die „deutsche Version“ der amerikanischen Peace Strategy unter dem Kürzel „Wandel durch Annäherung“. Es gab damals zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und West- und Ostberlin keine offiziellen Beziehungen. Westberliner hatten seit dem Bau der Mauer 1961 keine Möglichkeit, ihre Familien in Ostberlin zu besuchen. Bahrs Beauftragter Horst Korber handelte mit Ostberlin das erste Berliner Passierscheinabkommen aus, das 1963 700.000 Westberlinern während der Weihnachtsferien einen Besuch in Ostberlin ermöglichte. Entscheidend war die Formulierung in der Anlage 1 zum Passierscheinabkommen 12/1963: „Ungeachtet der unterschiedlichen politischen und rechtlichen Standpunkte ließen sich beide Seiten davon leiten, dass es möglich sein sollte, dieses humanitäre Anliegen zu verwirklichen. Beide Seiten stellen fest, dass eine Einigung über gemeinsame Orts-, Behörden- und Amtsbezeichnungen nicht erzielt werden konnte.“ (Hervorhebung UF). 1969 wurde Willy Brandt Bundeskanzler. Er entsandte Egon Bahr, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten der Bundesregierung nach Moskau. Er sollte dort eine Verständigung mit Moskau über eine Überwindung unvereinbarer Rechtspositionen suchen, die die Beziehungen Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn schon lange blockierten. Willy Brandt ging diesen Weg gerade in höchst kritischer Zeit, nachdem der Warschauer Pakt unter Führung der Sowjetunion am 20./21. August 1968 den „Prager Frühling“ durch eine militärische Intervention zerschlagen hatte. Damit begann die heiße Phase der Deutschland betreffenden Entspannungspolitik. Das Ergebnis waren Verträge zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik (Moskauer Vertrag 12. August 1970) und der Warschauer Vertrag zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik (7. Dezember 1970). An diesem Tage fiel Bundeskanzler Willy Brandt vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau in die Knie. Beide Verträge flossen in die weiteren Ostverträge und die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) vom 1. August 1975 ein. Schlüsselbegriffe darin waren der „Gewaltverzicht“ (Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt“, die „Unverletzlichkeit“ (nicht die „Endgültigkeit“) der Grenzen, die im „Konsens aller Beteiligten“ friedlich geändert werden könnten und die „Respektierung“ (nicht „Anerkennung“) der DDR als gleichberechtigter souveräner Staat und die Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO.
Die Entspannungspolitik bewirkte durch die Ostverträge und die KSZE-Schlussakte (1972) auch den Aufbau von Vertrauen zu Deutschland. Willy Brandt und Egon Bahr kooperierten in internationalen Zusammenhängen, z.B. der Sozialistischen Internationale mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme und dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Palme legte der 2. UN-Sondervollversammlung 1982 den Bericht der Internationalen Kommission für Abrüstung und Gemeinsame Sicherheit („Palme Bericht“) mit weitreichenden Vorschlägen zur Entspannung vor, u.a. zu einem atomwaffenfreien Korridor in Europa.
Am 12. September 1990 wurde der 2+4-Vertrag der beiden deutschen Staaten und der vier Siegermächte des 2. Weltkrieges in Moskau unterzeichnet. Er enthält „die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“. Unter anderem wurden die Grenzen Deutschlands einschließlich der Oder-Neiße-Grenze zu Polen als endgültig festgelegt. Am 3. Oktober 1990 trat die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 des Grundgesetzes bei. Am 21. November 1990 erreichte die europäische Entspannungspolitik ihren Höhepunkt. In Paris unterschrieben alle 35 Staats- und Regierungschefs als Schlussdokument der Sonderkonferenz der KSZE die „Charta für ein neues Europa“ (Charta von Paris) mit dem Ziel einer gesamteuropäischen Friedens- und
Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok. [9] Der „Kalte Krieg“ zwischen den antagonistischen bipolaren Gesellschaftssystemen des „Westens“ und der „Ostens“ war vorbei.
Die Charta von Paris bewährte sich in der Folge als ein „strukturbildendes Dokument“.[10] Am 8. Dezember 1990 wurde die Sowjetunion (UdSSR) aufgelöst und einige Tage später an ihrer Stelle die „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ (GUS) mit Russland als Hauptmacht gegründet. Die Ukraine gehörte nicht zur GUS, wohl aber Belarus. Der Warschauer Pakt, das Gegenstück zur NATO, endete am 1. Juli 1991. Im Dezember 1991 wurde Russland zum unabhängigen Staat. 1994 führte Russland alle (jetzt russischen) Truppen, Panzer und Atomwaffen aus Mitteleuropa zurück. 1995 wurde der Atomwaffensperrvertrag (NPT) unbefristet verlängert und von vielen Staaten ratifiziert, nachdem die Atommächte zugestimmt hatten, das ausgehandelte vollständige Atomtestverbot (CTBT) zu ratifizieren und entsprechend ihrer Verpflichtung nach Artikel VI des NPT nach und nach die Atomwaffen abzurüsten, d.h. „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung“ (Hervorhebung UF) [11]. Erfolgreiche Schritte waren auch die Unterzeichnung der NATO-Russland-Grundakte (1997), in der beide Seiten offiziell erklärten, die NATO und Russland betrachteten sich nicht als Gegner. 2002 wurde der NATO-Russlandrat gegründet.[12]
Aber die guten Chancen der Charta von Paris wurden nicht genutzt.[13] Eine europäische Friedensordnung hätte nach friedenslogischen Kriterien einen dauerhaften „Prozess“ erfordert, „innerhalb dessen Gewalt in ihren direkten, strukturellen und kulturellen Manifestationen abnimmt und neue kooperative Beziehungen trotz Konflikt gelingen“, also eine „mehrdimensionale und vielfältige konstruktive Konfliktaustragung“. Das wird behindert von „konfrontativem Verhalten“. „Sicherheit muss immer kooperativ gestaltet werden“.[14]
2. Erosion der Entspannungspolitik
Ein auf Dauer angelegter Prozess zur Konflikttransformation in Europa kam nicht in Gang. Innenpolitisch folgten der Auflösung der Sowjetunion unter der Regierung des ersten frei gewählten russischen Präsidenten Boris Jelzin (1991 – 1999) schwere antidemokratisch wirksame politische Auseinandersetzungen (z.B. Putschversuch nationalkommunistischer Kräfte gegen Jelzin 1993), Wirtschaftsprobleme durch die Privatisierung der Wirtschaft und die Etablierung von Oligarchen. Daran waren auch westliche Akteure beteiligt. Internationale Gründe für die wachsende Erosion der Entspannungspolitik nach 1990 waren außer Kriegen und Bürgerkriegen im zerfallenden Jugoslawien, der Kündigung oder Nichtratifizierung wichtiger Abrüstungsverträge [15] und der Nichterfüllung von atomaren Abrüstungsverpflichtungen der Atommächte im Wesentlichen die Osterweiterung der NATO, die Erweiterung der EU nach Osten und der Versuch, die Ukraine der westlichen Einflusssphäre einzugliedern. Damit wurden die wiederholt vorgebrachten russischen Sicherheitsbedürfnisse sträflich missachtet. Im Jahre 1999 traten die Tschechische Republik, Ungarn und Polen der NATO bei, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien folgten 2004. Bis heute wird darüber gestritten, ob westliche Politiker dem damaligen Generalsekretär der UdSSR Gorbatschow 1990/1991 versprochen hatten, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, um Befürchtungen der Sowjetunion im ihre Sicherheit und ihre strategischen Interessen in ihrem „Hinterhof“ zu vermeiden.[16] Die NATO ging nicht auf den scharfen Protest Russlands ein. Im Gegenteil, der NATO-Gipfel 2008 in Bukarest beriet auf Drängen von Präsident George W. Bush über die Aufnahme von Georgien und der Ukraine. Frankreich und Deutschland verweigerten es mit Rücksicht auf die Interessen Russlands. Als Kompromiss begrüßte die NATO die Bestrebungen Georgiens und der Ukraine. Sie erklärte aber: „Diese Länder werden der NATO beitreten.“ Putin reagierte mit der Feststellung, der Beitritt dieser Länder sei eine „unmittelbare Bedrohung“ Russlands. Es folgte der russisch-georgische Krieg 2008 (Kaukasus-Krieg), in dem Georgien Süd-Ossetien an Russland verlor. Die NATO, so kommentierte John Mearsheimer in „Foreign Affairs“, ignorierte die russischen Proteste und nahm 2009 Albanien und Kroatien als weitere Mitglieder auf. [17]
Auch die EU stellte sich gegen die russischen Interessen. Im Jahre 2008 beschloss sie, die Ukraine im Rahmen der Initiative „Östliche Partnerschaft“ in den Wirtschaftsraum der EU zu integrieren. Außer der NATO- und der EU-Osterweiterung gab es auch westliche Initiativen zur Förderung der Demokratie in der Ukraine. Als der ukrainische Ministerpräsident und Russland-Freund Janukowitsch im November 2013 ein Wirtschaftsabkommen mit der EU ablehnte und ein Gegenangebot Russlands in Höhe von 15 Milliarden Dollar akzeptierte, übernahm eine pro-westliche und antirussische Regierung unter Führung von Arsenij Jazenjukj die Macht. Dieser Regimewechsel kann als Staatsstreich mit vermutlich US-amerikanischer Unterstützung bewertet werden. Er war der tiefere Grund für Putins Befehl, der Ukraine im März 2014 die Halbinsel Krim zu entreißen. Zeitgleich unterstützte Russland russische Separatisten in der Ost-Ukraine diplomatisch, mit Beratern und Waffen. [18]
John J. Mearsheimer, Vertreter des Realismus, Politikwissenschaftler an der Universität von Chicago, analysierte die Verletzung russischer Interessen und folgerte am Beispiel der Auseinandersetzung um die Ukraine und die Krim, dass Russland eine westliche machtpolitische Übernahme dieses Staates an der eigenen Grenze als eine Verletzung seiner strategischen Kerninteressen nicht zulassen würde.[19] Die Ukraine sei für Putin ein Pufferstaat zwischen Russland und dem Westen. Putin orientiere sich in seinem „Denken und Handeln an den Geboten des politischen Realismus“. Die USA und ihre europäischen Alliierten einerseits und Russland andererseits vertraten sich ausschließende Positionen. Die westlichen Befürworter einer Osterweiterung in den USA und auch in Europa dagegen seien der Vorstellung einer „postnationalen Ordnung“ im Sinne eines Liberalismus in der internationalen Politik gefolgt, die sich in den USA gegen die Logik des Realismus durchgesetzt hatte. Im Zeichen des Liberalismus unterstützten die USA und ihre Partner die Demokratiebewegungen in den osteuropäischen Ländern, eine stärkere wirtschaftliche Verflechtung und eine Verankerung der osteuropäischen Länder in internationalen Institutionen. Russland folgte der Position des „Realismus“. [20]
Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin, möglicher Partner einer Entspannungspolitik, kritisierte in seiner Brandrede bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2007:
„Die NATO-Erweiterung ist ein ‚provozierender Faktor’… In Bulgarien und Rumänien entstehen so genannte leichte amerikanische Vorposten-Basen mit jeweils 5000 Mann. Das bedeutet, dass die NATO ihre Stoßkräfte immer dichter an unsere Staatsgrenzen heranbringt, und wir, die wir uns streng an den Vertrag halten, in keiner Weise auf dieses Vorgehen reagieren. Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Erweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt. Nun haben wir das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese Erweiterung? Und was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben? Wo sind jetzt diese Erklärungen? An sie erinnert man sich nicht einmal mehr. Doch ich erlaube mir, vor diesem Auditorium daran zu erinnern, was gesagt wurde. Ich möchte ein Zitat von einem Auftritt des Generalsekretärs der NATO, Herrn Wörner, am 17. Mai 1990 in Brüssel bringen. Damals sagte er: ‚Schon der Fakt, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der BRD zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.‘ Wo sind diese Garantien?“ [21]
Schon 1997 hatte der unverdächtige US-amerikanische Diplomat George F. Kennan, einst in den 50er und 60er Jahren ein Vordenker des Kalten Krieges, die Clinton-Administration vor der Osterweiterung der NATO gewarnt:
„Unverblümt gesagt, wäre meiner Ansicht nach die NATO-Erweiterung der verhäng-nisvollste Fehler der amerikanischen Politik für die gesamte Zeit nach der Ära des Kalten Krieges. Es ist zu erwarten, dass eine solche Entscheidung in Russland die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen anfeuert, sich negativ auf die Entwicklung der russischen Demokratie auswirkt, die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Ost-West-Beziehungen restauriert und die russische Außenpolitik in eine Richtung treibt, die uns ganz entschieden zuwiderläuft.“ [22]
3. Kontroversen um eine neue Entspannungspolitik
Aus dem anderen, liberalen Amerika kam Unterstützung für die Entspannungspolitik. Die Herausgeberin der US-amerikanischen liberalen Wochenzeitung „The Nation“, Katrina van den Heuvel, berichtete bereits im Dezember 2016 ausführlich über den Aufruf „Neue Entspannungspolitik JETZT!“/ „Détente NOW!“ [23] und rief die Zivilgesellschaft der USA in der Sonderausgabe von „The Nation“ vom 25. Juni 2018 zu „einer breiten Grundsatzdiskussion über die Außenpolitik“ auf:
„Wir sollten uns darum bemühen, Russland wieder als notwendigen Partner bei der Lösung von Problemen in Schlüsselbereichen wiederzugewinnen, insbesondere bei den Bemühungen zur Begrenzung des nuklearen Wettrüstens und zur Verringerung der Spannungen an Russlands Grenzen. Darüber hinaus beschränkt ein erneuter Kalter Krieg den Raum für demokratische Kräfte und stärkt die Macht eines repressiven Staates und den Einfluss nationalistischer Stimmen – auf beiden Seiten.
Eine weit verbreitete Hoffnung ist, dass die Vereinigten Staaten nach Trump zu ihrer früheren Rolle als „unverzichtbare Nation“ zurückkehren könnten. Aber wir sollten nicht darauf bauen. Unsere Politik der nationalen Sicherheit für Amerika war gescheitert, lange bevor Trump angekündigte, er wolle 2015 als Präsident kandidieren. …
Die fortschreitende Militarisierung der US-Außenpolitik hat unsere Fähigkeit beeinträchtigt, echte Gefahren für die Sicherheit anzugehen, die nicht nur unsere eigene Bevölkerung, sondern den gesamten Planeten bedrohen – vom katastrophalen Klimawandel bis hin zu einer extremen Ungleichheit verursachenden Weltwirtschaft, die die Demokratie bei uns und im Ausland untergräbt. Unser aufgeblähtes Militärbudget macht bereits mehr als ein Drittel der gesamten Militärausgaben der Welt aus, obwohl wichtige nationale Erfordernisse geradezu nach Geldmitteln hungern. Selten wurde die Notwendigkeit einer neuen Kursänderung deutlicher. …
Was würde eine alternative Außenpolitik mit sich bringen? Wir weisen die Vorstellung zurück, dass die Vereinigten Staaten vor der Entscheidung zwischen Isolationismus und dem alten Konsens der Eliten stünden. Eine progressive Reform müsste damit beginnen, die Vorstellung aufzugeben, Amerika sei einzigartig zur Anwendung von Gewalt legitimiert. Wir sollten endlich anerkennen, dass es für uns als globale Supermacht USA im eigenen Interesse liegt, das internationale Recht zu verteidigen. Wir können unsere Sicherheit am besten stärken, indem wir das Völkerrecht respektieren und uns nicht darüber hinwegsetzen. ….“ [24]
In Deutschland formierte sich eine bislang in den großen Parteien nicht mehrheitsfähige Unterstützung für eine neue Entspannungspolitik. Sie wird allerdings unterstützt von einem breiten Spektrum der Zivilgesellschaft – bis hin in Gewerkschaften und Kirchen. Matthias Platzeck als einer der Wortführer, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, fasste seine politische Analyse für eine neue Entspannungspolitik so zusammen:„Ohne Entspannung mit Russland keine Sicherheit in Europa“.
„Russland ist in die europäische Sicherheitsordnung nicht eingebunden. Das führt zu Konflikten. Deshalb ist nun die Stunde für eine pragmatische Realpolitik gegenüber Moskau gekommen. Vorbild dafür könnte die neue Ostpolitik Willy Brandts sein. Verständigungspolitik mit Russland ist eine realpolitische Notwendigkeit. Das war bei der Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs in den sechziger und siebziger Jahren nicht anders. …
Der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums hat in Russland ein politisches, wirtschaftliches und sicherheitsstrategisches Vakuum hinterlassen. Das westliche Europa konnte auf den Halt und Schutz seiner bewährten Institutionen, der EU und der Nato, bauen. Das kann inzwischen auch die Mehrheit der osteuropäischen Staaten. Russland ist in diese Systeme, insbesondere in eine europäische Sicherheitsordnung, nicht eingebunden – trotz ausgestreckter Hand: Putin hat 2001 im Bundestag eine vollwertige Partnerschaft angeboten; Medwedew legte 2008 in Berlin einen Vorschlag für einen europäischen Sicherheitsvertrag vor. All das blieb in Europa, auch bei uns Deutschen, ohne Resonanz. …
Vielleicht fehlte die politische Phantasie für eine neue gemeinsame Ordnung. Ganz sicher aber war man berauscht vom Triumph des eigenen Systems. Heute wirbt Europa mit einer „wertegeleiteten“ Politik selbstbewusst für seine demokratischen Errungenschaften. Dabei sind die realpolitischen Notwendigkeiten vor den wertepolitischen Zielvorstellungen immer weiter in den Hintergrund gerückt – und damit auch das Urthema, mit dem das Schicksal Europas steht und fällt: eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur.
Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Was die Europäer sich mit der Charta von Paris ins Stammbuch schrieben, klingt heute, da die Gräben wieder aufgerissen sind, wie eine ferne Mahnung. Sie ist ein Auftrag für eine Politik der Verantwortung. Verantwortung heißt: die Folgen seines Handelns kalkulieren. Der sicherheitspolitische Scherbenhaufen, vor dem wir heute stehen, offenbart eine verheerende Fehlkalkulation. Nun ist die Stunde einer pragmatischen Realpolitik gekommen, wie sie die Neue Ostpolitik war. Eine Politik, in der Frieden, wie es Egon Bahr einmal ausgedrückt hat, „der oberste Wert“ bleiben muss.“… [25]
Aus der Fülle der Stimmen gegen eine neue Entspannungspolitik sei Simon Vaut zitiert,Alumnus des Transatlantik Forums der BMW-Stiftung und des International Leadership Program des U.S. Congress, Mitglied des Aspen-Instituts und der Atlantikbrücke. Er warf Platzeck einen Irrtum vor: [26]
„…Matthias Platzeck hat vollkommen Recht, wenn er im ‚Vorwärts‘ schreibt, dass die Ostpolitik Willy Brandts gerade heute Vorbild im Verhältnis zwischen Russland und Deutschland sein müsse. Sein Gedanke ist zwar richtig, aber er übersieht zentrale Prämissen Brandts.
Dessen Ostpolitik konnte nur funktionieren, weil sie sich nicht in Appeasement erschöpfte, sondern Dialogbereitschaft mit Verteidigungsfähigkeit verknüpfte. Dass gerade letzteres auch heute unabdingbar nötig ist, zeigt die russische Politik der letzten Jahre. Der Kreml verstößt auf eklatante Weise gegen die zentrale Verpflichtung der Ostverträge: gegenseitiger Gewaltverzicht und Achtung der Grenzen. …
Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim ist der historisch schwerste Bruch mit der größten Errungenschaft der Ostpolitik: der KSZE-Schlussakte von Helsinki. Zu deren Grundprinzipien gehören die Achtung der souveränen Gleichheit sowie der ihrer Souveränität innewohnenden Rechte, zum Verzicht von Gewalt, die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Achtung der territorialen Integrität und die friedlichen Regelung von Streitfällen, die die Integrität der Grenzen und deren ausschließlich friedliche Änderungen festschreibt. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim macht auch das bahnbrechende Budapester Memorandum der KSZE-Konferenz von 1994 obsolet. Darin wurden der Ukraine die Souveränität und die bestehenden Grenzen als Gegenleistung für einen Nuklearwaffenverzicht garantiert. Ein Meilenstein auf dem Weg zu weniger Atomwaffen wurde so nieder gerissen. …
Und: Die regelbasierte Verständigung in der Ostpolitik ist auch heute noch ein guter Kompass, aber sie sollte nicht verklärt werden. Wohl aus gutem Grunde erwähnt Platzeck nur die „Ostpolitik der sechziger und siebziger Jahre“ und verschweigt die schweren Versäumnisse der achtziger Jahre, die von der Ausgrenzung von Solidarność bis hin zum SED-SPD-Papier reichen – alles unter Berufung auf die Ostpolitik.
Es ist schwer nachzuvollziehen, wie Matthias Platzeck ausführlich über eine europäische Sicherheitsordnung schreiben und mit keiner Zeile den in der Ostukraine tobenden Krieg mit über 10.000 Toten erwähnen kann. Ganz abgesehen von Putins Fortsetzung der Mittel des Tschetschenienkriegs in Europas Nachbarschaft: Auch die russischen Luftangriffe auf Wohnviertel und Krankenhäuser in Aleppo, die Frankreich und andere europäische Staaten als Kriegsverbrechen bezeichnet haben, zeigen, wie unterschiedlich die Vorstellungen einer Sicherheitsordnung zwischen Russland und Europa sind.
… Schwer nachvollziehbar ist, dass Matthias Platzeck die gemäßigte Rede Putins von 2001 im Bundestag als „ausgestreckte Hand“ zitiert und dabei die längst vollzogene Kehrtwende unter den Tisch fallen lässt. Spätestens Putins berüchtigte Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007, in der er der Europäischen Union vorwarf, sie würde anderen Ländern ihren Willen aufzwingen und auf Gewalt setzen, gilt als Zäsur. Sein Reden und Handeln sind längst deutlich ins Aggressive abgedriftet. Die Bundestagsrede von 2001 ist leider nur noch eine historische Randnotiz. …
Zudem ist der Auslöser der „militärischen Muskelspiele“, wie Platzeck es nennt, offenkundig. Putin verlegt drei Divisionen (also über 30.000 Soldaten) an die Westgrenze seines mit Nuklearwaffen hochgerüsteten Reiches. Die NATO reagiert mit der Verlegung von vier Bataillonen (also etwa 4.000 Soldaten) in die baltischen Kleinstaaten. Von Symmetrie, die Platzeck suggeriert, kann da wahrlich nicht die Rede sein.“
4. Impulse für eine neue Entspannungspolitik
Egon Bahr schlug nach 2014 als Lehre aus der Entspannungspolitik der 1970er Jahre unter veränderten Rahmenbedingungen zur Eröffnung von Wegen zur Zusammenarbeit bei der Lösung internationaler Probleme mit Russland vor, die Annexion der Krim durch Russland de facto zu „respektieren“, aber nicht „anzuerkennen“. [27] Horst Teltschik, Mitarbeiter von Helmut Kohl und früherer Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, forderte in seiner Erklärung im Namen der Initiative Neue Entspannungspolitik JETZT zum 8. Mai 2017 zur Beendigung der Konfrontation in Europa und zur Bewältigung der europäischen Krisen zur Durchsetzung einer „Zone gesamteuropäischer ‚gemeinsamer Sicherheit’“:
– „im Rahmen des auf Initiative der Bundesregierung beschlossenen „strukturierten Dialogs in der OSZE: Drängen auf sofortige Verhandlungen über vertrauensbildende Maßnahmen (wie sie alle schon einmal vereinbart waren), über deutliche Senkung der Schwellenwerte für die Ankündigung von Manövern und den Austausch von Manöverbeobachtern sowie eine Vereinbarung von Sofortmaßnahmen zur Vermeidung unbeabsichtigter Zusammenstöße zu Luft oder zu Wasser
– Initiativen zur Wiederaufnahme von Abrüstungsverhandlungen über Nuklearwaffen und konventionelle Streitkräfte
– Einbringen der Forderung nach Stopp der Modernisierung von Atomwaffen in der im Mai beginnenden „Vorbereitungskommission“ für die Review Conference zum NPT 2020
– Unterstützung von Vermittlungsbemühungen und direkten Verhandlungen zur Deeskalation des Konflikts mit Nordkorea
– Aktive Kooperationen auf der zivilgesellschaftlichen Ebene mit Russland und zwischen Russland und seinen Nachbarstaaten: Städte-Partnerschaften; Jugend- und Studentenaustausch; Wissenschaftsaustausch; Kulturaustausch usw.
– Aktive Nutzung des NATO-Russland-Rates, nicht nur auf Botschafterebene, sondern auch auf Ebene von Außen- und Verteidigungsministern sowie Spitzenmilitärs
– Stärkung und Ausweitung der Beobachtermissionen zur Verwirklichung der Minsker Vereinbarung
– Briefaktionen an die Regierungen in Kiew, Moskau und die Separatisten mit Forderungen zur Umsetzung der Minsker Vereinbarung.“
Dialog und Zusammenarbeit auf allen Ebenen auf der Grundlage gemeinsamer Sicherheit und zum gegenseitigen Vorteil bleiben die unverzichtbaren Instrumente für eine friedliche Entwicklung in Europa und weltweit!“[28]
Frank-Walter Steinmeier veröffentlichte – kurz nach dem Warschauer NATO-Gipfel 2016 – als Bundesaußenminister in der FAZ vom 26.8.2016 ein Grundsatzpapier mit der Forderung nach einem „Neustart der Rüstungskontrolle“:
„Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hat Russland die Grundprinzipien der europäischen Friedensarchitektur in Frage gestellt. Die Konfliktstrukturen haben sich dramatisch verändert: Hybride Formen der Konfrontation und nichtstaatliche Akteure gewinnen an Bedeutung. Neue Technologien bergen auch neue Gefahren: offensive Cyberfähigkeiten, bewaffnete Drohnen, Robotik, elektronische Kampfmittel, Laser- und Abstandswaffen. Neue Einsatzszenarien – kleinere Einheiten, höhere Schlagkraft, schnellere Verlegbarkeit – werden von den geltenden Transparenz- und Kontrollregimen nicht erfasst. Es droht eine neuartige, gefährliche Rüstungsspirale.
Die Konfliktmuster sind andere, doch eine Erinnerung bleibt wach: Mitten in den kältesten Tagen des Kalten Krieges wagte Willy Brandt gegen viel Widerstand die ersten Schritte der Entspannungspolitik. Über alles Trennende hinweg suchte er nach Gemeinsamem – und fand es in den Ostverträgen und den Grundsätzen der Schlussakte von Helsinki. Frieden in Europa, das Erbe der Entspannungspolitik – wir hatten das in den vergangenen zwei Jahrzehnten für selbstverständlich gehalten. Jetzt steht alles wieder auf dem Spiel. ….
Ein Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle muss aus meiner Sicht fünf Bereiche abdecken. Wir brauchen Vereinbarungen, die
1. regionale Obergrenzen, Mindestabstände und Transparenzmaßnahmen definieren (insbesondere in militärisch sensiblen Regionen, zum Beispiel im Baltikum),
2. neuen militärischen Fähigkeiten und Strategien Rechnung tragen (Wir reden heute weniger von klassischen, schweren Armeen als von kleineren, mobilen Einheiten, also sollten wir zum Beispiel Transportfähigkeit mit beachten),
3. neue Waffensysteme einbeziehen (zum Beispiel Drohnen),
4. echte Verifikation erlauben: rasch einsetzbar, flexibel und in Krisenzeiten unabhängig (zum Beispiel durch die OSZE),
5. auch in Gebieten anwendbar sind, deren territorialer Status umstritten ist.
Das sind komplexe und schwierige Fragen. Dazu wollen wir einen strukturierten Dialog, mit allen Partnern, die für die Sicherheit unseres Kontinents Verantwortung tragen. Ein wichtiges Dialogforum dafür ist die OSZE, deren Vorsitz Deutschland in diesem Jahr innehat…[29]
Ende 2016 unterstützten 14 „gleichgesinnte“ Außenminister/innen und der OSZE-Außenministerrat Steinmeiers Appell für einen Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle. Laut dem Auswärtigen Amt reagierten die USA und die baltischen Länder zurückhaltend. Ein öffentliche Debatte dazu blieb bisher aus.“ [30]
5. Mögliche Baustellen einer neuen multilateralen Entspannungspolitik
Die Chancen einer neuen multilateralen Entspannungspolitik nach der Wahl von Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA sindgegenwärtig im Einzelnen noch nicht konkret absehbar. Schaut man aber zurück auf die Urzeit der Entspannungspolitik, so liegt klar auf der Hand, dass die Rahmenbedingungen für Entspannung und ein breiter Konsens der Staaten, wie in der Schlussakte der KSZE von 1975 oder der Charta von Paris 1990 noch vorfindlich, ähnlich wie in den 60er Jahren, nicht mehr existieren. Neu zu bestimmen ist, wie beides, „Wandel durch „Annäherung“ und neue Rahmenbedingungen, heute in der sich geostrategisch multipolar entwickelnden Welt zwischen den weltpolitischen Playern USA, Russland, China und Europa realiter möglich sind. Auch die Ukraine und Polen müssen in eine neue Entspannungspolitik einbezogen werden. Die aktuellen Rahmenbedingungen zwischen Deutschland, der EU und der NATO einerseits und Russland andererseits rechtfertigen es mit Herwig Roggemann von einem „Neuen Kalten Krieg“ zu sprechen. [31] Gegenseitige Bedrohungsvorstellungen wachsen in der Öffentlichkeit und in der Politik. Grundlegend nötig ist der längst überfällige Dialog zur wechselseitigen Vertrauensbildung.[32] Das setzt innenpolitisch ein gesellschaftliches Klima voraus, in dem außenpolitische Fortschritte vorgedacht und geübt werden. Die innenpolitische Dimension wird geprägt von der Regierung, aber mitentscheidend auch von einer dynamischen Zivilgesellschaft.
Im Rückblick auf die Entspannungspolitik der 1980er Jahre ist ernst zu nehmen, wie sehr es die gewaltfreien Aktionen der Friedensbewegung gegen die sog. Nachrüstung sowohl der sowjetischen als auch der US-amerikanischen Administration erleichtert haben, den INF-Vertrag vom 8.12.1987 über Flugkörper mittlerer Reichweite abzuschließen.[33] Die zivilgesellschaftlichen Initiativen hatten damals gewarnt, sich an dem „Fallstrick Sicherheitslogik“ aufzuhängen. Sie vermieden, Frieden und Stabilität mit Sicherheit zu verwechseln.[34] Deshalb wird es auch für einen Neuanfang von Entspannungspolitik darauf ankommen, dass zivilgesellschaftliche Gruppen nicht in die Falle von Sicherheitslogik tappen. Konkret: Nicht „Aufrüstung und Abschreckung“ fördern den Frieden auf allen Seiten, sondern „Abrüstung und Entspannung“.[35]
5.1 Chancen des Players USA, trotz Gefahr des Abstiegs als Großmacht?
Bedeutsam wird sein, was die USA nach den Präsidentschaftswahlen vom 3. November 2020 für eine neue Entspannungspolitik noch oder wieder leisten können. Indizien legen nahe, dass das überkommene weltweite Vorbild der Großmacht USA zumindest verblasst ist. Europäische und deutsche zivilgesellschaftliche Organisationen für Frieden und Entspannung sollten die zahlreichen liberal-demokratisch ausgerichteten zivilgesellschaftlichen Institutionen, Organisationen, Initiativen und Gruppen des „anderen Amerika“ für eine progressive Innen- und Außenpolitik unterstützen und sich nicht in der Kritik an dem negativen Beispiel von Ex-Präsident Trump erschöpfen.
Der Demokrat Joe Biden, 46. Präsident der seit langem in zwei Lager tief gespaltenen USA[36] [37](81,3 Mio. Stimmen gleich 51,3 %, 306 Wahlmänner), ist am 20. Januar 2021 in ein schwieriges Amt eingeführt worden. In beiden Häusern des Kongresses haben die Demokraten nunmehr die Mehrheit, im Senat mit der Stimme der Vizepräsidentin. Die von Präsident Trump angestachelte Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 durch Mobwar ein Versuch, die Zertifizierung des Wahlergebnisses vom 3. November 2020 zu unterlaufen und die demokratische Wahl Bidens zu delegitimieren[38]. Biden hat noch am Tag seiner Amtseinführung 17 innen- und außenpolitisch wichtige Verfügungen unterschrieben.[39] Entspannungspolitisch bedeutsam sind der Wiederbeitritt zur Weltgesundheitsorganisation WHO und der Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen von 2015. Zu erhoffen sind ein konstruktives Verhältnis zu Europa und China und die Rückkehr zum Atomabkommen mit dem Iran. Die angekündigte Verlängerung des New-START-Rüstungskontrollvertrages über strategische Atomwaffen von 2010 ist zu begrüßen. Notwendig sind nach SIPRI zusammen mit Russland weitere „Rüstungskontrollvereinbarungen gegen die Weiterverbreitung und den möglichen Einsatz von Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen in den Bereichen Raketenabwehr, hochentwickelter Fähigkeiten, Hyperschallwaffen, der beschleunigten Militarisierung des Weltraumes und der Anwendung künstlicher Intelligenz auf strategische Waffen, die die Berechenbarkeit von Atomwaffen und die strategische Stabilität gefährden“.[40]
Der narzisstische Ex-Präsident Donald Trump (74.2 Mio. Stimmen gleich 46,8 %, 232 Wahlmänner, 88 Millionen Follower bei dem jetzt gesperrten Twitter-Account) hat in vier Jahren durch sein Mantra des „America First“ nach dem Muster des demokratiefeindlichen Nationalismus und Populismus der Innen- und Außenpolitik des Landes schwer geschadet. Trump wird voraussichtlich mittels Teilen der Republikanischen Partei auch in Zukunft großen Einfluss ausüben. Der „Trumpismus“, einschließlich der permanenten Lüge der Wahlfälschung könnte mit großen Risiken für die politische Kultur des Landes und seiner Demokratie überleben, sogar mit der Perspektive einer erneuten Kandidatur Trumps 2024. Bei einer für sich selbst organisierten Abschiedszeremonie deutete er an: „Wir werden in irgendeiner Form zurückkehren“.
5.2 Hoffnung auf Entspannung mit Russland: Russland sehen „wie es ist“?
Das Verhältnis zwischen Russland und dem OECD-Europa, insbesondere zu Deutschland, ist so tief gestört, dass die Voraussetzungen einer neuen Entspannungspolitik neu zu definieren sind. Die Europäische Union und Russland verbindet kein gegenseitiges Vertrauen mehr. Sabine Fischer, Mitglied der Kerngruppe des Expertennetzwerkes für Außenpolitik zwischen der EU und Russland (EUREN), listet einige Gründe auf, u.a.: NATO-Osterweiterung ab 1990, Ukraine-Konflikt 2014, Annexion der Krim, Krieg in der Donbass-Region, Wirtschafts-Sanktionen, Hacker-Aktion gegen das Computernetzwerk des deutschen Bundestages, die angelbliche Entführung und Vergewaltigung des 13-järigen deutsch-russischen Mädchens Lisa, Einmischung in Wahlen in Frankreich und den USA, der Nowitschok-Mordversuch an Sergej Skripal im britischen Salesbury (2018) und die Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny (2020), Ermordung des ethnischen Tschetschenen Tornike Changschwili in Berlin (2019). Das föderale Gesetz zur Registrierung von Organisationen als „ausländische Agenten“ (2012) betrifft und erschwert neuerdings zusätzlich die Arbeit von Einzelpersonen. Als „ausländischer Agent“ muss jetzt auch registriert werden, wer sich einzeln direkt oder indirekt über andere russische Organisationen mit politischen oder militärischen Themen beschäftigt und Geld oder andere Hilfen aus dem Ausland erhält. Der betroffene russische Menschenrechtler Lew Ponomarjow spricht von Willkür: „Mit dem neuen Gesetz kann jeder, der Kontakte ins Ausland hat, gebrandmarkt und bestraft werden, indem man einfach sagt, er sei ein ausländischer Agent“. [41]
Dimitry Trenin, langjähriger Direktor des Carnegie Moscow Center und führender russischer außenpolitischer Experte, sieht die „Sonderpolitik Deutschlands gegenüber Russland“ nach dem Fall Nawalny als beendet an. Die „Sonderrolle, die Deutschland und seine Kanzlerin in den vergangenen Jahren gespielt haben, ist somit Geschichte“. „Russland erwartet nichts mehr von Europa und fühlt sich deshalb auch nicht verpflichtet, auf Europas Standpunkte oder Interessen Rücksicht zu nehmen.“ [42] Der Politikwissenschaftler Hans-Henning Schröder diagnostiziert zur gesellschaftlichen Situation in Russland, dort sei seit 2013 ein starkes antiwestliches Feindbild entwickelt und Vertrauen abgebaut worden. Nur die eigenen russischen und nationalen Werte würden propagiert. Das politische System Russlands beruhe auf der Macht des Präsidenten Putin. Er sei umgeben von verschiedenen Fraktionen und Interessengruppen. Russland sei militärisch zwar nicht angriffsfähig, verlege sich aber stattdessen auf mediale und IT-Attacken. Die KSZE-Werte gälten in der Praxis nicht mehr.[43] Mehrere mündliche Quellen berichten, auch in der breiten Bevölkerung sei das noch in den 90er Jahren vorhandene russische Vertrauen in Deutsche und Deutschland verloren gegangen, weil der Westen Russland nicht respektiere. Zu erinnern ist an die intensiven Bemühungen der Friedensbewegung von 1987 bis 1989 um Verständigung und Versöhnung mit den Menschen in der Sowjetunion nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjet-Union am 22. Juni 1941. In der alten Bundesrepublik und auch nach der Wende in der DDR antworteten Friedensgruppen auf die leidvollen Erfahrungen der Bevölkerung im Vernichtungskrieg mit bilateralen Aktivitäten (gegenseitige Besuche, Partnerschaften usw.) unter dem Motto „Frieden mit den Völkern der Sowjetunion“.[44]
Die Chancen einer Verständigung mit Russland auf offizieller diplomatischer Ebene sind aktuell gering. Aber man sollte auch bedenken, dass die Entspannungspolitik sich noch während des Kalten Krieges 1969, nur ein Jahr nach der sowjetisch geführten Intervention in der CSSR, entwickelte und ein gegenseitiges Interesse an der Überwindung von Kriegsgefahr besteht. Möglicherweise zeichnet sich in der russischen Außenpolitik perspektivisch eine strategische Wende ab. Der liberale russische Politologe und Außenpolitikexperte Wladimir Frolow erkennt eine „auffällige … Zurückhaltung Russlands im Umgang mit den Krisen in Nagorni Karabach und Weißrussland“. Nach und nach, so die NZZ zum Gastkommentar von Frolow, „scheint sich Moskau ganz bewusst von einer Dominanz im postsowjetischen Raum zu verabschieden – einfach darum, weil der Preis dafür zu hoch ist“. Moskau „wägt ab, was sinnvoll ist und was nicht. Zu einem großen Teil ist das auf die Analyse der russischen Aktionen in der Ukraine, Georgien und Syrien zurückzuführen (Kreml-Kenner Fjodor Lukjanow).[45]
Ansatzpunkte für eine Besserung könnten sein, durch Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen einerseits Russland die Angst vor dem Verlust seiner Zweitschlagsfähigkeit und koordinierten Übergewicht der USA und von China zu nehmen und andererseits für entspannungspolitische Initiativen der Zivilgesellschaft zwischen Russland und seinen Nachbarn einzutreten. Positiv stimmt die Friedensforscherin Hanne-Magret Birckenbach, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung nach statistischen Erhebungen einen politischen Dialog mit Russland befürwortet. [46] Sinnvoll können die Zusammenarbeit mit Dialog-Foren wie dem Deutsch-Russischen Forum mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und eine punktuelle Kooperation mit kleinen Gruppen und Gemeinschaften sein (z.B. persönliche Kontakte, Förderung des akademischen Austausches, Deutsch-Russischer Austausch, Schüleraustausch, Umweltschutz, Behindertenhilfe, Kennenlernen des kirchlichen Lebens), jedoch weniger die offiziellen Kontakte, weil dort gegenseitige konfrontative Positionen überwiegen.
Im Sinne einer Friedenslogik ist es sinnvoll, uns die Kriegsverbrechen Deutschlands und seiner Wehrmacht mit dem Tod von mehr als 27 Millionen Menschen in das Gedächtnis zu rufen, darunter das Schicksal der in Nazi-Deutschland umgekommenen drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen. Eine aktive Friedenspolitik könnte mit Respekt vor den historischen Erfahrungen daran anknüpfen. Waren früher Aktive der Friedensbewegung in Russland offiziell willkommen, so sind es neuerdings Vertreter der rechtsnationalen Alternative für Deutschland, wie etwa des stellvertretenden Vorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla, beim russischen Außenminister Sergej Lawrow am 8. Dezember 2020 in Moskau. Chrupalla beklagte sich, die größte Oppositionspartei Deutschlands erleide „Diskreditierung und zum Teil auch Diffamierung“. Lawrow habe dann seinerseits von „zahlreichen Problemen“ zwischen Moskau und Berlin gesprochen.[47]
Herwig Roggemann [48] schließt seinen grundlegenden Aufsatz „Der Russland-Ukraine-Konflikt“ mit fünf Schlussfolgerungen und Empfehlungen:
a. Aufhebung der Russlandsanktionen der EU und Deutschlands, weil sie „kontraproduktiv und schädlich“ sind[49]
b. „Aufbau und Sicherung einer gesamteuropäischen Friedensordnung zusammen mit und nicht gegen Russland“, ohne eine „normenbasierte“ Außenpolitik zu verfolgen. Frieden ist mit dem Russland zu entwickeln, „wie es ist“.
c. „Neuordnung des Verhältnisses der Gesprächs- und Bündnispartner“ („Entwicklung eines Konzeptes für eine gesamteuropäische Sicherheits- und Wirtschaftsarchitektur unter gleichberechtigter institutioneller Einbeziehung Russlands“ wie in der Charta von Paris 1990, keine politische und wirtschaftliche Ausgrenzung Russlands, keine militärische Aufrüstung der Nachbarstaaten Russlands),
d. Fertigstellung von North Stream 2 zur Sicherung der Energieversorgung Deutschlands und der EU,
e. Konzipierung eines Krimvertrages zwischen Russland und der Ukraine.[50]
5.3 Die Europäische Union (EU) und Deutschland
Die EU, die nicht das ganze Europa ist, hat 2012 zu Recht den Friedensnobelpreis für die Bewahrung des Friedens in einem durch den zweiten Weltkrieg zerstörten Kontinent erhalten. Heute kommt es drauf an, die EU und die übergreifenden Institutionen (OSZE, Europarat) geostrategisch zwischen den USA, Russland und China in einer Welt multipler Krisen (Covid 19, Klima, Migration und Asyl, Rüstung, Energieversorgung, Erziehung und Bildung, Hunger usw.) als souveräne Macht weltweit überzeugungs- und handlungsfähig zu erhalten. Zu berücksichtigen sind auch die Interessen der östlichen Ranstaaten der EU, wie am Beispiel von North Stream 2 deutlich wird. Leitlinien der Umsetzung dafür sind die Charta der Vereinten Nationen, die Vorstellungen einer gesamteuropäischen Friedensordnung der Charta von Pairs, die Werte des Artikels 2 des Vertrages über die Europäische Union (2008), also die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Minderheiten. Das Friedensgebot des Grundgesetzes gilt besonders für das vereinte Deutschland.
Einige wesentliche schwierige Aufgaben sind:
– Die Gestaltung Europas als gleichberechtigter Partner der USA und osteuropäischer Länder (einschließich Polens und der Ukraine), maßgeblich mit Russland, sowie Chinas unter dem Siegel der gemeinsamen Sicherheit einschließlich der wirtschaftlichen Aspekte,
– die Klärung der politischen und in der Folge auch der militärischen Existenzberechtigung der NATO. Ein Krisenmarker dafür ist zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten der NATO ihre Haushalte gemäß den Vereinbarungen des NATO-Gipfels von Wales (2014) bis auf 2 % erhöhen.[51]
– Keine Entwicklung der EU vom „Friedensprojekt zum „globalen militärischen Player“ [52] qua Militarisierung. Hinderlich ist die 2018 vereinbarte „Permanente Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) auf militärischem Gebiet und die reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte. Zu fördern aus dem Haushalt der EU sind mehr zivile Instrumente für Stabilität und Frieden gegen die Ursachen von Konflikten, Gewalt und Krieg durch Konflikttransformation und friedensbildende Kapazitäten.
– Bändigung der Rüstungsindustrie und der Rüstungsexporte.
Die Zivilgesellschaft hat die zentrale Funktion, einen Willenswandel zur Friedensbildung anzustoßen und zu betreiben. Beispiele dafür waren anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 Initiativen jeweils mehrerer beteiligter Organisationen („Wahlprüfsteine“, „Rettet das Friedensprojekt Europa“ sowie die Lobbyarbeit von Church and Peace).
5.4 Zentrale Aufgabe einer neuen Entspannungspolitik: Abrüsten statt Aufrüsten -Rüstungskontrolle statt Wettrüsten
Mit der aufrüttelnden Einschätzung „The Return of Doomsday …“ bestätigten Ernest J. Moniz (Atomphysiker und ehemaliger US-Energie-Minister) und Sam Nunn (ehemaliger US-Senator und führender Rüstungskontrollexperte) die Gefahr einer atomaren Katastrophe. [53] Sie begründeten an einem Szenario von NATO-Manövern, wie gefährlich sich der schrittweise Abbau der „strategischen Stabilität“ durch die Kündigung internationaler Verträge (2002: ABM-Vertrag von 1972, 2007: KSE-Vertrag von 1990, 2019: INF-Vertrag von 1987) auswirkte. Der Zerfall der Rüstungskontrolle und die Entwicklung von neuen fortgeschrittenen Waffensystemen sowie das Fehlen eines Dialogs zwischen Russland und dem Westen sei eine „giftige Mischung“. Die USA und Russland verfügen gegenwärtig gemeinsam noch über fast 14.000 Atomsprengköpfe. Davon sind 1.800 auf Knopfdruck innerhalb weniger Minuten abschussbereit. Jeder einzelne dieser Sprengköpfe hat eine Sprengkraft des mehr als 10- bis 30-fachen der Hiroshima- oder Nagasaki-Bomben. [54] Damit kann im Falle eines Atomkrieges die gesamte Erde mehrfach vernichtet werden.
Eine neue Entspannung wäre heute also schon aus diesem Grunde politisch wie früher überlebenswichtig. Das internationale Friedensforschungsinstitut SIPRI (Stockholm) bezifferte am 7. Dezember 2020 den Gesamtumsatz der internationalen Rüstungsunternehmen 2019 auf insgesamt 361 Milliarden US-Dollar (knapp 300 Milliarden Euro), 8,5 % mehr als 2018. Zwölf erfasste US-Unternehmen hatten einen Anteil von 61 % der Verkäufe weltweit, China 16 % und Russland 3,9 %.[55]
Karsten D. Voigt berichtet über umfassende Empfehlungen von 145 Wissenschaftlern, Diplomaten und Militärs aus 20 Ländern (u.a. Russland, USA, Deutschland) aus einem Experten-Dialog über die Verringerung militärischer Risiken zwischen der NATO und Russland (z.B. Wiederbeginn eines praktischen Dialogs, Nutzung der NATO-Russland-Grundakte). Voigt zitiert auch den Aufruf des European Leadership Network (ELN) vom 14. Dezember 2020 zum Ziel einer Reduzierung von Nuklearkriegsrisiken. Das ELN möchte „Bereiche identifizieren, bei denen das gemeinsame Interesse der USA und Russlands so eindeutig und so offensichtlich war, dass trotz des wechselseitigen Misstrauens und trotz aller gegensätzlichen Interessen Vereinbarungen mit dem Ziel einer Verminderung von Nuklearkriegsrisiken als möglich“ erscheinen. [56]
Überprüfung der „Nuclear Posture Review“ und der „nuklearen Teilhabe“
Die „Nuclear Posture Review“ (Februar 2018) ist das derzeit gültige Grundlagendokument zur Nuklearwaffenpolitik der USA gegenüber Russland und China. Damit wurde eine qualitative atomare Aufrüstung und technische Innovation in Gang gesetzt. Ob diese Politik von Biden fortgesetzt wird, ist offen. Rolf Mützenich ist skeptisch: „Mit der Nuclear Posture Review forciert die Trump-Regierung die weitere Entwicklung von Mini Nukes auf der Grundlage der Doktrin des frühzeitigen und flexiblen Einsatzes von kleinen Nuklearwaffen. Sie will in den nächsten Jahren zudem alle strategischen Systeme ersetzen, atomare Gefechtsköpfe mit niedriger Sprengkraft beschaffen, die Reichweite luftgestützter Marschflugkörper erhöhen und seegestützte substrategische Systeme nuklear bewaffnen, die unter Bush und Obama als vertrauensbildende Maßnahme abgezogen wurden. Die zunehmende geopolitische Konkurrenz zwischen den Atomwaffenstaaten, die Entwicklung neuartiger Waffen, die Verkoppelung konventioneller und nuklearer Abschreckungspotenziale und die anhaltende Modernisierung und Diversifizierung von Nuklearwaffenarsenalen führen zu neuen Rüstungswettläufen. Sie stellen eine konkrete Bedrohung für Deutschland und Europa dar.“ [57]
Die Trump-Administration vertrat den Kurs, ein „Atomkrieg sei führbar und gewinnbar“.[58] Im Vergleich mit der „Nuclear Posture Review“ der USA vertraut die Russische Föderation zwar auch allgemein auf die nukleare Abschreckung, folgt aber, so die Analyse der russischen Dokumente von Dimitri Trenin und Wilfried Schreiber, nicht der Strategie eines begrenzbaren Atomkrieges und setzt nicht auf den Einsatz taktischer Atomwaffen zur Beendigung von Kampfhandlungen, weil davon unmittelbar russisches Territorium betroffen wäre. Das wäre aber zu befürchten, wenn weiter entwickelte Waffen wie US-INF-Systeme an den Grenzen Russlands oder in seiner Nähe stationiert würden. Atomwaffen würden auf Befehl des russischen Staatspräsidenten nur zum Einsatz kommen, wenn die Gefahr eines Enthauptungsschlages durch ein Frühwarnsystem glaubwürdig erkennbar sei.[59]
Deutschland ist gegenwärtig im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ an der Drohung mit und dem Einsatz von Atomwaffen indirekt beteiligt. Von der technischen nuklearen Teilhabe ist die politische nukleare Teilhabe zu unterscheiden. Zur technisch-nuklearen Teilhabe: Auf dem Fliegerhorst in Büchel (Eifel) lagern vermutlich 20 US-amerikanische taktische Atombomben des „modernisierten“ Typs B61-12, die mit atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen der Bundeswehr von deutschen Piloten im Vollzug der nuklearen Abschreckung ins feindliche Ziel gebracht werden können. Im Zuge der „Nuclear Posture Review“ ist geplant, strategische Raketen-U-Boote mit Langstreckenraketen mit Sprengköpfen kleinerer Sprengkraft auszurüsten und seegestützte atomare Marschflugkörper einzusetzen. Beide Waffensysteme können ohne Mitwirkung der Bündnispartner der NATO allein seitens der USA eingesetzt werden.[60] Damit zeichnet sich erneut – wie in den 80er Jahren – die Entwicklung der Strategie der nuklearen Abschreckung zu einer Strategie der nuklearen Kriegsführung ab [61].Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will gegen Widerstand im Bundestag 45 modernste US-amerikanische taktische Kampfflugzeuge vom Typ F-18F für ca. 8 Milliarden Euro kaufen und damit ab 2030 veraltete Tornado-Kampfjets ersetzen. Der Kauf neuer atomwaffenfähiger Flugzeuge würde Deutschlands Mitwirkung im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ der NATO auf Jahrzehnte festschreiben. Deutschland würde so technisch zur Bereitstellung europäischer Trägersysteme für Einsatz und Lagerung von US-Atomwaffen beitragen.[62] Zur politischen Teilhabe gehört die Mitwirkung in NATO-Gremien zum Austausch von Informationen, Planungen und Mitwirkung in nuklearen Fragen. Schiede Deutschland aus der technischen nuklearen Teilhabe aus, könnte es aber weiterhin politisch an der NATO teilhaben. Diesen Weg haben z.B. Kanada und Griechenland gewählt. Sie lagern keine amerikanischen Atomwaffen, bleiben aber politisch aktive Mitglieder der NATO. Weil die neuen Waffensysteme im Rahmen der „Nuclear Posture Review“ auch alleine dem US-amerikanischen Präsidenten zur Disposition stehen, hätte Deutschland keine Option, qua politischer nuklearer Teilhabe über den Einsatz dieser Waffen mitzuentscheiden. Politisch notwendig sind die US-Sprengköpfe in Büchel deshalb nicht mehr. Denn gleich wirksame taktische Atomwaffen können von US-Atom-U-Booten auf Befehl nur des US-Präsidenten seegestützt abgefeuert werden. Die Bücheler Atomwaffen sind heute politische und diplomatische Verhandlungsmasse. Sie befördern das Wettrüsten. Die USA könnten die „nukleare Teilhabe“ mit Wirkung für Deutschland und andere betroffene Staaten Europas aufgeben. Die Raketen in Büchel binden Deutschland an die USA. Das Manöver „steadfast noon“ (2020) hat dies bestätigt. Aber Deutschland sollte kein „Client-Staat“ der USA werden. Mit Rolf Mützenich, Chef der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, sind ein neuer multilateraler INF-Vertrag und eine vollständige Abrüstung aller taktischen Nuklearwaffen zu fordern.[63]
6. Fazit
Die Entspannungspolitik nach Willy Brandt brauchte Jahrzehnte, um den ersten Kalten Krieg zu beenden. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die aktuellen hier nur im Überblick benannten Hindernisse beseitigt sind.
Die Hürden für die Etablierung einer multilateral wirksamen Entspannungspolitik sind hoch, wie an den Beispielen der vier großen weltpolitischen Player aufgezeigt wurde.
Es braucht friedenslogische, nicht sicherheitslogische Strukturen, Verfahren und Instrumente um abzurüsten statt aufzurüsten, ein konstruktives Verhältnis zu den USA zu gewinnen, wieder Vertrauen mit Russland und dem russischen Volk aufzubauen, China einzubeziehen und Europa mit Deutschland zum Status einer Friedensmacht zu verhelfen.
Eine aktive Zivilgesellschaft ist ein konstitutiver Teil jeglicher Entspannungspolitik. Sie hat einschließlich von Kirchen hierzu Chancen der Mitwirkung und auch hoffentlich Kraft, Freude und Erfolg dabei.
Abschluss des Manuskriptes am 6. Februar 2021
Bad Honnef, 7. Februar 2021 Ulrich Frey (Kontakt: ulrich.frey@web.de)
[1] Für wertvolle Hinweise danke ich Dr. Wolfgang Biermann, ehemaliger Mitarbeiter von Egon Bahr, Gründungsmitglied der Initiative Neue Entspannungspolitik – jetzt! und der Informationsplattform zur Entspannungspolitik https:/neue-entspannungspolitik.berlin/, sowie Prof. em. Dr. Hanne-Margret-Birckenbach, die maßgeblich den Ansatz
„Friedenslogik vs. Sicherheitslogik“ entwickelt hat (Literaturhinweis siehe Anmerkung 34), und Dr. Dirk M. Harmsen
und Dr. Theodor Ziegler, beide im Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden (FFE).
[2] https://weltuntergangsuhr.com/ (Zugriff 11.11.2020)
[3] https://neue-entspannungspolitik.berlin/eva-senghaas-knobloch-ueber-nukleare-teilhabe-die-fatale-illusion-der
sicherheit/ (Zugriff 11.11.2020), S. 5
[4] Vgl. die Publikationen des Informatikers Karl Hans Bläsius, https://atomkrieg-aus-versehen.de/artikel/ (Zugriff
11.11.2020) und die Liste atomarer Fast-Katastrophen von Uwe Werner Schierhorn unter www.fwes.info/fubk-20
KURZ.pdf (Zugriff 8.12.2020)
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow (Zugriff 5.11.2020)
[6] William Perry: Wie ich als US-Verteidigungsminister dazu kam, mich für die Abschaffung der Atomwaffen einzusetzen.
abschaffung-der-atomwaffen-einzusetzen/ (Zugriff 08.01.2021)
[7] Der Historiker Prof. Peter Brandt referierte zur Entspannungspolitik in der Weimarer Republik bei der Tagung „Neue
Entspannungspolitik–Jetzt“ vom 13.-15.10.2017 im Arbeitnehmerzentrum Königswinter (AZK) unter dem Titel
„Die historische Genese der bundesdeutschen Entspannungspolitik im europäischen Kontext“, Wolfgang Biermann über
„Wandel durch Annäherung: Von den Ostverträgen zum Fall der Mauer und dramatischer Abrüstung in Europa“,
Tagungsband, Herausgeber: Initiative Neue Entspannungspolitik – Jetzt, 2017),
Entspannungspolitik_Tagungsband_DRUCKVERSION_KW_171213_DS.pdf;
militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Pbab2018/NE-Tagungsband2017.pdf+&cd=4&hl=de&ct=clnk&gl=de (Zugriff
10.12.2020)
[8] Vgl. Wolfgang Biermanns „10 Thesen“ für die Veranstaltung “Lessons Learned 1963 – 2018 – Was können wir heute
aus Willy Brandts politischem Wirken lernen?” der norwegisch-deutschen Willy-Brandt-Stiftung: https://neue
entspannungspolitik.berlin/wandel-durch-annaeherung-lehren-fuer-heute/ (Zugriff 22.01.2021)
[9] http://www.osce.org/de/mc/39518?download=true (Zugriff 11.11.2020)
In der Charta von Paris verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten 1990,
- eine “dauerhafte und gerechte Friedensordnung für ein geeintes demokratisches Europa” aufzubauen,
- “uneingeschränkt die Vereinten Nationen und ihre Rolle bei der Förderung von Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit in der Welt” zu stärken,
- auf „ neue Formen der Zusammenarbeit …zur friedlichen Beilegung von Streitfällen, einschließlich der obligatorischen Hinzuziehung einer Drittpartei“,
- „bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten“ und
- auf „verstärkte Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, …Festigung des Friedens und…Förderung der Einheit in Europa (durch) eine neue Qualität des politischen Dialogs und der politischen Zusammenarbeit“.
[10] Hanne-Margret Birckenbach, Zur Europäischen Friedensordnung – Und es gibt sie doch!, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 139-144, 143
[11] Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen: https://www.atomwaffena-z.info/fileadmin/user_upload/pdf/NPT-Vertrag.pdf
[12] Horst Teltschik, Einen neuen Kalten Krieg durch eine neue Entspannungspolitik verhindern!https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/dokumente/%C2%BBes-gilt-einen-neuen-kalten-krieg-durch-eine-neue-entspannungspolitik-zu (Zugriff 11.11.2020)
[13] https://www.focus.de/politik/experten/neuer-kalter-krieg-horst-teltschik-ueber-den-westen-und-russland-das-spiel-geht-weiter_id_8627933.html (Zugriff 11.11.2020)
[14] Hanne-Margret Birckenbach, Zur Europäischen Friedensordnung – Und es gibt sie doch!, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3 -4, S. 139-144, 143; vgl. zur Definition von „Frieden“ auch Sabine Jaberg, „Russland hat die Friedensordnung aufgekündigt“, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 131-138, S. 132
[15] Vgl. Wolfgang Biermann, ‚Sündenregister‘ auf dem Weg in einen neue Kalten Krieg, in: Brandt/Braun/Müller: Frieden! Jetzt! Überall!, Westend-Verlag, Frankfurt 2019, S. 81.
[16] Exkurs: Gorbatschow ist von westlichen. Staatsmännern getäuscht worden „Eine förmliche völkerrechtliche
Vereinbarung über die künftige Nichterweiterung der NATO über das Gebiet der DDR hinaus ostwärts, liegt nicht
vor“. „Tatsache“ aber war, „dass über die Nichtausweitung im Frühjahr 1990 und bis zur Deutschen Vereinigung
offenbar Konsens im Sinne einer ungeschriebenen, aber verbal bekräftigten Geschäftsgrundlage zwischen Ost und
West bestand.“ (Herwig Roggemann, Russland-Ukraine-Konflikt. Ursachen – Auswirkungen – Überwindung. Ein
Diskussionsbeitrag, unveröffentlichte Fassung eines Thesenpapiers auf einem Workshop des Ost-West-Forums Gut
Gödelitz am 1.2. 2020, S. 15); Dokumente, die die NATO-Osterweiterung ablehnten, sind von dem „National
Security Archive“ der George-Washington-University veröffentlicht worden (Der Spiegel 52/2017).
[17] Vgl. John J. Mearsheimer, in: Foreign Affairs, September/Oktober 2014; Putin reagiert. Warum der Wesen an der Ukraine-Krise schuld ist. https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/ (Zugriff 11.11.2020)
[18] Vgl. John J. Mearsheimer, in: Foreign Affairs, September/Oktober 2014; Putin reagiert. Warum der Wesen an der Ukraine-Krise schuld ist. https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/ (Zugriff 11.11.2020);
siehe auch: Herwig Roggemann, Der Russland-Ukraine-Konflikt. Ursachen – Auswirkungen- Überwindung. Ein Diskussionsbeitrag, unveröffentlichte Fassung eines Thesenpapiers auf einem Workshop des Ost-West-Forums Gut Gödelitz am 1. Februar 2020, S. 15f.
[19] Vgl. John J. Mearsheimer, in: Foreign Affairs, September/Oktober 2014; Putin reagiert. Warum der Wesen an der Ukraine-Krise schuld ist. https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/ (Zugriff 11.11.2020)
[20] Vgl. John J. Mearsheimer, in: Foreign Affairs, September/Oktober 2014; Putin reagiert. Warum der Wesen an der Ukraine-Krise schuld ist. https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/ (Zugriff 11.11.2020)
[21] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Sicherheitskonferenz/2007-putin-dt.html (Zugriff 11.11.2020)
[22] George F. Kennan, „ A Fateful Error“, New York Times, 5. Februar 1997; https://www.infosperber.ch/Politik/Geopolitik-USA-Russland-NATO-George-F-Kennan (Zugriff 11.11.2020)
[23] Détente Now: A New Call for Peace, Security, and Cooperation, Civic and religious leaders in Germany are
spearheading a new initiative to avoid war between Russia and the West
https://www.thenation.com/article/archive/detente-now-a-new-call-for-peace-security-and-cooperation/ (Zugriff
11.11.2020)
[24] http://neue-entspannungspolitik.berlin/thenation-sonderausgabe-warum-die-usa-eine-neue-aussenpolitik-brauchen/
(Zugriff 11.11.2020)
[25] https://www.vorwaerts.de/artikel/platzeck-ohne entspannung-russland-keine-sicherheit-europa, 20.2.2017 (Zugriff
2.12.2020)
[26] Simon Vaut, Warum Platzeck irrt: über Russland und über Brands Ostpolitik, https://www.vorwaerts.de/artikel/platzeck-irrt-russland-brandts-ostpolitik (Zugriff: 2.12.2020)
[27] Vgl: http://neue-entspannungspolitik.berlin/egon-bahrs-wandel-durch-annaeherung-1963-vorbild-fuer-ukraine-
konflikt/ (Zugriff 6.12.2020)
[28] http://neue-entspannungspolitik.berlin/erklaerung-zum-08-mai-2017/ (Zugriff 6.12.2020)
[29] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/160826-bm-faz/282910 (Zugriff 6.12.2020)
[30] Wolfgang Biermann, Neustart Rüstungskontrolle, FriedensForum 5/2017
[31] Herwig Roggemann, Der Russland-Ukraine-Konflikt. Ursachen – Auswirkungen- Überwindung. Ein Diskussionsbeitrag, unveröffentlichte Fassung eines Thesenpapiers auf einem Workshop des Ost-West-Forums Gut Gödelitz am 1. Februar 2020, S. 10
[32] Eva Senghaas-Knobloch, Die fatale Illusion der Sicherheit. https://neue-entspannungspolitik.berlin/eva-senghaas-knobloch-ueber-nukleare-teilhabe-die-fatale-illusion-der-sicherheit/ (Zugriff 2.12.2020)
[33] Ulrich Frey, Welche Rolle spielte die Friedensbewegung für den Fall der Mauer 1989 und das Ende der Blockkonfrontation? http://www.konfliktbearbeitung.de/downloads/file1487.pdf (Zugriff 6.12.2020)
[34] vgl. Hanne-Margret Birckenbach, Zur Europäischen Friedensordnung – Und es gibt sie doch!, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 139-144, 140; www.ekiba.de (Zugriff 23.1.2021); Grundsätzlich zur Friedenslogik: Hanne-Margret Birckenbach „Friedenslogik statt Sicherheitslogik – Gegenentwürfe aus der Zivilgesellschaft“, https://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=1787 (Zugriff 23.1.2021)
[35] Sabine Jaberg, „Russland hat die europäische Friedensordnung aufgekündigt“, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 131 – 138, 136
[36] 45 % der US-Republikaner unterstützen den Sturm auf das Kapitol, 96 % der Demokraten sind dagegen. 93 % der Demokraten sehen den Sturm auf das Kapitol als Bedrohung für die Demokratie an, während 68 % der Republikaner das nicht so sehen. 50 % der Wähler stimmt zu, Trump wegen der Ereignisse am 6.1.2020 aus dem Amt zu entfernen. 42 % der Wähler und 85 % der Republikaner halten das nicht für angemessen. https://www.deutsche-wirtschaftsnachrichten.de/508700/Schock-Umfrage-45 (Zugriff 17.1.2021).
[37] Konrad Ege, „Zerrissener denn je. Am Abgrund. Der nächste Präsident wird mit den Wunden jahrelanger Spaltung zu kämpfen haben“, in: der Freitag, Nr. 45 vom 5.11.2020; Georg Packer schreibt lt. Generalanzeiger, Bonn, vom 6.11.202 in „The Atlantic“: „Wir sind zwei Länder und keines der beiden wird so bald erobert werden oder verschwinden.“ Details: Lotta Suter, „Abstieg auf Raten“, in: der Freitag, Nr. 43, 22.10.2020: „Das Vermögen der 600 US-Milliardäre nimmt ständig zu. Aber fast die Hälfte aller Werktätigen erhält keine existenzsichernden Löhne. Millionen Menschen sind in der Corona-Krise unter das Existenzminimum gerutscht, insbesondere die people of color. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist auf Nahrungsbeihilfen von staatlicher oder privater Seite angewiesen. Der MIT-Professor Peter Temin stellt fest, dass die USA nicht mehr ein Land sind, sondern zwei Länder mit ganz unterschiedlichen Ressourcen, Erwartungen und Entwicklungen. Etwa 20 % der Bevölkerung leben im Wachstumssektor von Finanzen, Technologie und Elektronik, 80 % im Niedriglohnsektor.“ Die USA hätten mittlerweile die wirtschaftlichen und politischen Strukturen eines Entwicklungslandes.
[38] Trump-Gegner qualifizierten die Erstürmung des Kapitols als „versuchten Staatsstreich“, Biden selbst als “insurrection“, Vizepräsident Pence als „Gewalt“ (Neue Zürcher Zeitung, 8.1.2021), https://www.nzz.ch/international/gewalt-der-trump-anhaenger-protest-revolte-oder-gar-ein-putsch-ld.1595315) (Zugriff 17.1.2021). Die deutsche Botschaft in Washington berichtete nach Berlin lt. einer Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 8.1.2021, Trump sei ein „demagogischer Verführer“, der versucht habe, seinen Machtverlust durch einen in „mehreren Etappen inszenierten Staatsstreich“ zu verhindern. (https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-aktuell-washington-deutsche-botschaft-donald-trump-1.5168958) (Zugriff 17.1.2021).
[39] Süddeutsche Zeitung vom 21.1.2021 „17 auf einen Streich“, https://www.sueddeutsche.de/politik/biden-trump-executive-orders-1.5181234 (Zugriff 3.11.2021)
[40] Jan Eliasson und Dan Smith, SIPRI-Essay über Joe Bidens Rüstungskontrollambitionen, deutsche Version: http://neue-entspannungspolitik.berlin/sipri-essay-ueber-joe-bidens-ruestungskontrollambitionen/ (Zugriff 23.1.2021)
[41] Sabine Adler im Deutschlandfunk am 4.12.2020; https://www.tagesschau.de/ausland/russland-auslaendische-agenten
gesetz-101.html (Zugriff 17.1.2021)
[42] https://www.ipg-journal.de/ipg/autorinnen-und-autoren/autor/dmitri-trenin/ (Zugriff 11.11.2020)
[43] Vortrag beim Online-Seminar im pax christi-online-Talk Russland „Entspannungspolitik mit Russland neu denken“ am 12.11.2020
[44] Arbeitsgemeinschaften Solidarische Kirche Westfalen und Lippe u.a.m. (Hrsg.), Versöhnung und Frieden mit den Völkern der Sowjetunion. Herausforderungen zur Umkehr. Eine Thesenreihe, Gütersloh 1987; Evangelische Akademie Baden (Hrsg.), Friede mit der Sowjetunion. Beiträge zur Aussöhnung, Konsultation der landeskirchlichen Friedensausschüsse und der christlichen Friedensdienste 17.-19.3.1987, Bad Herrenalber Protokolle 43; Deutsch-Sowjetische Friedenswoche, „Volksdiplomatie“ (https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/die-versoehnung-mit-den-voelkern-der-sowjetunion, Zugriff 6.12.2020); IBB Johannes Rau in Minsk (https://ibb-d.de/homepage/die-ibb-in-minsk/ (Zugriff 6.12.2020)
[45] Neue Zürcher Zeitung, Gastkommentar von Waldimir Frolow, „Abschied von ‚Ruski Mir‘? – über eine mögliche
strategische Wende in der russischen Außenpolitik“. Der Gastkommentar ist übernommen aus „Dekoder“, lt. NZZ
„der deutschen Stimme des liberalen Russland“. „Dekoder“ ist eine unabhängige (nicht vom russischen Staat
finanziert und kontrolliert), und gemeinnützige Internetplattform https://www.nzz.ch/meinung/abschied-vom-russki-mir-russlands-neue-aussenpolitik-ld.1586938?reduced=true (Zugriff 4.12.2020)
[46] Hanne-Margret Birckenbach, Zur Europäischen Friedensordnung – Und es gibt sie doch!, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 139-144, 142; www.ekiba.de (Zugriff 23.1.2021)
[47] Generalanzeiger, Bonn, 9.12.2020, S. 5
[48] Herwig Roggemann, Der Russland-Ukraine-Konflikt. Ursachen – Auswirkungen- Überwindung. Ein
Diskussionsbeitrag, unveröffentlichte Fassung eines Thesenpapiers auf einem Workshop des Ost-West-Forums
Gut Gödelitz am 1. Februar 2020, S. 24ff.
[49] Siehe auch ausführlich: Hanne-Margret Birckenbach, Zur Europäischen Friedensordnung – Und es gibt sie doch!, in:
Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 139-144, 141f.; www.ekiba.de (Zugriff 23.1.2021)
[50] Siehe auch Sabine Jaberg, „Russland hat die europäische Friedensordnung aufgekündigt“, in: Die Friedenswarte, Vol.
92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 131 – 138, 135; https://vdw-ev.de/ueber-uns/studiengruppen/europ-sicherheit-frieden/
(Zugriff 23.1.2021)
[51] Sabine Jaberg, Russland hat die europäische Friedensordnung aufgekündigt“, in: Die Friedenswarte, Vol. 92, 2017-2019, Issue 3-4, S. 131 – 138, 136; https://vdw-ev.de/ueber-uns/studiengruppen/europ-sicherheit-frieden/ (Zugriff 23.1.2021)
[52] Andreas Zumach, Vom „Friedensprojekt“ zum „globalen militärischen Player“?, FriedensForum 6/2020
[53] Sam Nunn und Ernest Moniz in „Foreign Affairs“ über Kriegsgefahr durch das neue atomare Wettrüsten: https://neue-entspannungspolitik.berlin/sam-nunn-und-ernest-moniz-ueber-kriegsgefahr-durch-das-neue-atomare-wettruesten/ (Zugriff 5.11.2020)
[54] Alex Rosen, Vorsitzender der deutschen Sektion von IPPNW, bei der Kundgebung zum Antikriegstag am 1.9.2017
vor dem Brandenburger Tor, „Ärztliche Argumente für eine neue Entspannungspolitik“,
http://www.ippnw.de/frieden/konflikte-kriege/artikel/de/aerztliche-argumente-fuer-eine-neue.html (Zugriff 11.11.2020)
[55] General Anzeiger, Bonn, 8.12.2020
[56] Karsten D. Voigt, European Leadership Network – jüngste Initiativen, in: Das Blättchen 01/2021 und Initiative Neue Entspannungspolitik, https://neue- entspannungspolitik.berlin/karsten-voigt-ueber-eln-initiativen-zum-abbau-der-konfrontation-und-erwartungen-an-praesident-biden/ (Zugriff 23.1.2021). Lesenswert ist ein offener Brief von 103 US-Experten für Außenpolitik „It’s Time to Rethink Our Russia Policy“ gegen den Mix von Sanktionen und Diplomatie gegen Russland vom 8.5.2020 (https://www.politico.com/news/magazine/2020/08/05/open-letter-russia-policy-391434) (Zugriff 23.1.2021) und der Bericht der Global Zero‘s Nuclear Crisis Group (NGG) „Experts Recommend Steps to Reduce NATO- Russia Tensions“, https://www.globalzero.org/ (Zugriff 23.1.2021). Vgl. auch die realisierbaren Empfehlungen und Forderungen der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) zur Minderung des nuklearen Risikos vom 6.8.2020 https://www.sinn-schaffen.de/buerger/stellungnahme-der-vereinigung-deutscher-wissenschaftler-zum-75-jahrestag-der-atombombenabwuerfe-auf-hiroshima-und-nagasaki/ (Zugriff 23.1.2021)
[57] Rolf Mützenich, Deutschland und die nukleare Teilhabe. Plädoyer für eine notwendige und ehrliche
sicherheitspolitische Debatte, IPG 7.5.2020, https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/deutschland-und-die-nukleare-teilhabe-4342/ (Zugriff 8.12.2020); Otfried Nassauer, Trump setzt auf militärische Stärke, Das Blättchen Nr. 8/20
[58] IALANA-Presseerklärung vom 6.5.2020 zur nuklearen Teilhabe und zur geplanten Anschaffung neuer
Trägerflugzeuge für den Atomwaffeneinsatz, https://www.pressenza.com/de/2020/05/erklaerung-zur-nuklearen-teilhabe-und-zur-geplanten-anschaffung-neuer-traegerflugzeuge-fuer-den-atomwaffeneinsatz/ (Zugriff 8.12.2020)
[59] Der russische Präsident erlies im Juni 2020 die „Grundlagen der staatlichen Politik der Russischen Föderation auf dem Gebiet der nuklearen Abschreckung“ (https://de.sputniknews.com/politik/20200603327279491-grundlagen-von-nuklearer-abschreckung-russland/) (Zugriff 8.12.2020); siehe die Kommentare dazu von Dimitri Trenin, Carnegie Moscow Center, und Wilfried Schreiber https://www.vtnvagt.de/index.php/9-startseite/aktuelles/1077-hat-russland-eine-neue-nukleare-abschreckungsdoktrin (Zugriff 8.12.2020)
[60] Otfried Nassauer, Die Zukunft der nuklearen Teilhabe. In: Das Blättchen Nr.01/2021, S. 36-39
[61] Wolfgang Biermann, Übergang von der Strategie der Abschreckung zur Strategie der Führbarkeit des Atomkrieges, in Neue Gesellschaft 05/1971, http://neue-entspannungspolitik.berlin/wp-content/uploads/2018/03/Neue-Gesellschaft-Mai-1981-W. Biermann-Übergang-von-der-Strategie-der-Abschreckung-zur-Strategie-der-Führbarkeit-des-Atomkrieges.pdf
[62] Den immer wieder angemahnten und geforderten Abzug der Atomsprengköpfe aus Büchel (Beschluss der Parteien im Koalitionsvertrag 2009 und Beschluss des Bundestags vom März 2010) brachte der damalige Außenminister Guido Westerwelle zwar in der NATO ein, fand jedoch keine Unterstützung. Die NATO beschloss bei ihrem Gipfel im Mai 2012 das Dokument „Deterrence and Defense Posture Review“ in dem die weitere Stationierung der Waffen in Büchel allseitig akzeptiert wurde. Deshalb sind Wiederholungen der alten Forderung wohl aussichtslos. (Hans-Jochen Luhmann, Die Aufkündigung der Nuklearen Teilhabe –Vexierspiel um die aktive Rolle, in: Gesellschaft.Wirtschaft.Politik (GWP), 69. Jahrgang, Heft 3/2020, S. 267-272, S. 269)
[63] Rolf Mützenich, Deutschland und die nukleare Teilhabe. Plädoyer für eine notwendige und ehrliche sicherheitspolitische Debatte, IPG 7.5.2020, https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und- sicherheitspolitik/artikel/deutschland-und-die-nukleare-teilhabe-4342/ (Zugriff 8.12.2020)
Veröffentlicht von mwengelke am Dienstag, März 16th, 2021 @ 1:36PM
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