Kontrolle und striktes Export-Verbot für Rüstungsgüter in sogenannte Drittstaaten außerhalb von NATO und EU
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Das Positionspapier steht hier als PDF zum Download bereit: 20130525_Koep-Kerstin-Pflaumer_PositionRuestungsexporte
Zusammenfassung:
Die Humanistische Union (HU) unterstützt angesichts der bestürzenden Bilanz der deutschen Rüstungsexportpolitik die Bemühungen aus dem politischen Raum und Forderungen aus der Zivilgesellschaft, durch ein Rüstungsexportgesetz verbindliche und justitiable Regelungen für Kontrolle und strikte Zurückhaltung in diesem Bereich zu schaffen. Die HU fordert, den Rüstungsexport in sogenannte Drittstaaten außerhalb von NATO- und EU grundsätzlich zu verbieten. Das Verbot schließt auch Lizenzvergaben für die Herstellung von Waffen oder den Betrieb ganzer Rüstungsbetriebe in Drittstaaten ein. Die Begründungspflicht für Rüstungsausfuhren soll umgekehrt werden; die Bundesregierung hätte gegenüber dem Parlament darzulegen, inwiefern Ausfuhrgenehmigungen begründet sind.
1. Forderungen der Humanistischen Union zur strikten Beschränkung von Waffenexporten
Die HU spricht sich grundsätzlich gegen Waffenexporte aus und verurteilt die aggressive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Die HU will in einem ersten Schritt durch ein Rüstungsexportgesetz verbindliche und justitiable Regelungen schaffen, die den Rüstungsexport effektiv kontrollieren, stark einschränken und in sogenannte Drittstaaten außerhalb von NATO- und EU verbieten.
Wesentliche Elemente eines derartigen Rüstungsexportgesetzes sollen sein:
- Primat der Menschenrechte: Die Einhaltung der Menschenrechte im Empfängerland sollte nicht eines unter mehreren, sondern das entscheidende Kriterium bei der Genehmigung aller Rüstungsexporte sein.
- Rüstungsexporte nicht als primäre Wirtschaftsangelegenheiten behandeln: Die Ressortzuständigkeit für Rüstungsexporte soll dem Auswärtigen Amt übertragen werden, da dieses in besonderer Weise die erforderliche Sachkenntnis hat, um die Situation im Empfängerland, vor allem hinsichtlich der Menschenrechtslage, bewerten zu können. Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt fest: „Auch in anderen westlichen Ländern sind Außenministerien für Rüstungsexporte zuständig (PM v. 6.12.2012).
- Gesetzliche Verankerung: Die Kriterien der Rüstungsexportrichtlinie aus dem Jahr 2000 und des Gemeinsamen Standpunktes der EU aus dem Jahr 2008 – insbesondere hinsichtlich der Menschenrechtslage im Empfängerland und der Gefahr der inneren Repression – werden in das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz integriert.
- Keine Geheimhaltung der Entscheidungen über Rüstungsexporte mehr: Im Falle einer abschließenden Genehmigung einer Rüstungsexportentscheidung sind diese öffentlich bekannt zu geben und zu begründen.
- Die Pflicht zur Veröffentlichung von Rüstungsexportentscheidungen und zur Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichtes der Bundesregierung muss zeitnah zu den Entscheidungen und zu den vorliegenden Jahresdaten erfolgen.
- Klare Definition der Inhalte und Schwerpunkte des Rüstungsexportberichtes der Bundesregierung: In die Berichte sind zusätzliche Angaben über Produktionslizenzen, Sammelausfuhrgenehmigungen, Dual-Use-Güter-Ausfuhren und Informationen über Bürgschaften sowie Offset-Geschäfte (Nebenleistungen) beim Handeln mit Rüstungsgütern aufzunehmen.
- Einführung eines Verbandsklagerechts: Auf diese Weise soll – ähnlich wie beim Umwelt- und Naturschutz – auch dem „Friedensschutz“ und den Menschenrechten eine gerichtlich einklagbare Rechtsposition eingeräumt werden. Im Verordnungswege kann geregelt werden, welche Verbände Klagerechte geltend machen können.
- Vertragliche Durchsetzung und Kontrolle von Endverbleibsklauseln: Anders als in anderen Industriestaaten findet eine effektive Endverbleibskontrolle durch staatliche Stellen in Deutschland bisher nicht statt. Die Bundesregierung begnügt sich mit der sogenannten Endverbleibserklärung des jeweiligen Waffenexporteurs; der tatsächliche Endverbleib wird nicht kontrolliert. Entscheidungen über Rüstungs- und Waffenexporte sollen künftig mit einer Endverbleibsklausel versehen werden. Der Endverbleib muss regelmäßig durch deutsche Behörden vor Ort überprüft werden. Verstöße sind mit Konventionalstrafen zu ahnden.
- Keine Lizenzvergabe mehr an Drittstaaten zur Produktion von Kriegswaffen: Durch die Verlagerung von Produktionsstätten in Drittstaaten versuchen Rüstungskonzerne störende Auflagen beim Waffenhandel zu umgehen. Das betrifft beispielsweise Anlagen zur Produktion von Kleinwaffen oder Munition.
- Entwicklung einer Konversionsperspektive für die in der Rüstungsindustrie Beschäftigten: Die in der Rüstungstechnik Beschäftigten sind hochqualifizierte Facharbeiter und Ingenieure, die heutzutage auch in anderen Bereichen benötigt werden. Ihr Fachwissen ist gefragt, wenn es um Forschung und Entwicklung für die Konversion der Rüstungsindustrie geht. Rüstungsexporte machen ungefähr ein Prozent der Gesamtausfuhr Deutschlands aus. Befürchtungen, wonach ein stark eingeschränkter Rüstungsexport zu bedeutender Arbeitslosigkeit führen würde, sind Kampfargument einer mächtigen Rüstungslobby.
Die HU begrüßt die Aktivitäten der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel, die eine Ergänzung des GG in Art. 26 Abs. 2 durch ein „grundsätzliches Verbot von Rüstungsexporten“ vorsieht.
Für interessierte Mitglieder bzw. Regionalgruppen stellt die HU einen Musterbrief zur Verfügung, die im Sinne von Wahlprüfsteinen für die Befragung von KandidatInnen bei den Bundes- und Landtagswahlen genutzt werden können, um deren Haltung zur Forderung der HU nach einem Rüstungsexportgesetz und einer Ergänzung des Grundgesetzes abzufragen.
2. Begründung
Im Rahmen einer stark exportorientierten Wirtschaftspolitik ist Deutschland heute der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt hinter den USA und Rußland; in Europa nimmt es im Waffenexport den Spitzenplatz ein. Die Einzelausfuhrgenehmigungen für deutsche Rüstungsexporte beliefen sich 2011 auf 5,4 Mrd. € (2010: 4,8 Mrd. €). Besonders problematisch ist dabei der Waffenhandel mit sogenannten Drittstaaten, d.h. mit Ländern außerhalb von NATO und EU. Mit 42 Prozent machte er im Jahr 2011 fast die Hälfte aller Exportgenehmigungen aus (Steigerung um 10 % gegenüber dem Vorjahr).
Nach dem jüngsten (2012) Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), die den jeweiligen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung seit Jahren kritisch unter die Lupe nimmt, war in 64 Empfängerländern die Menschenrechtssituation bedenklich, in 39 herrschten interne Konflikte und jedes fünfte Empfängerland erhielt gleichzeitig deutsche Entwicklungshilfe. Deutsche Rüstungsschmieden beliefern den Weltmarkt insbesondere mit Kleinwaffen wie Gewehre, Maschinenpistolen und Munition, die dafür sorgen, das rund 90 Prozent aller in Bürgerkriegen und sonstigen Kriegshandlungen Getöteten durch eben solche Handfeuerwaffen umkommen.
Waffenlieferungen in Spannungsgebiete und an Länder mit Menschenrechtsverletzungen/ innerer Repression
Die geplanten Waffen-Deals mit Saudi-Arabien ebenso wie die genehmigten Panzerlieferungen nach Indonesien und Katar belegen exemplarisch, wie weit Deutschland von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik entfernt ist. Vor allem die öffentlich gewordene beabsichtigte Lieferung von 270 und eventuell mehr Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+ an Saudi-Arabien verstößt gegen die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19. Januar 2000, wonach solche Lieferungen in Spannungsgebiete untersagt sind. Ohne Zweifel kann die arabische Region mit den Umbrüchen in Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien, Jemen und den Konflikten zwischen Iran und Saudi-Arabien als Spannungsgebiet bezeichnet werden.
Rüstungsexporte an NATO-Staaten
Derzeit lässt sich das grundsätzliche Verbot von Rüstungsexporten nach Auffassung der HU lediglich auf Exporte in Drittstaaten außerhalb von NATO- und EU-Staaten begrenzen.
Dass auch der nach den Rüstungsexport-Grundsätzen „uneingeschränkt“ mögliche Waffenexport in NATO-Staaten höchst problematisch ist, zeigt das Beispiel Griechenland, dessen größter Waffenlieferant Deutschland ist. Obwohl klar ist, dass dieser NATO-Partner seinen Haushalt für alles andere als mit Rüstungsgütern belasten sollte, wurden für rund 1,7 Milliarden € Leopard-Panzer an Athen verkauft, daneben vor allem Flugzeuge und U-Boote. Die Griechen werden bedrängt, das Kampfflugzeug Eurofighter zu kaufen – ein Vorvertrag über 60 Maschinen mit einem Volumen von über einer Milliarde € soll abgeschlossen sein.
Aggressive Rüstungsexportpolitik steht nicht im Einklang mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes und den Politischen Grundsätzen. Sie verstößt überdies gegen völkerrechtliche Verpflichtungen.
Auf dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit deutschem Militarismus in zwei Weltkriegen war es lange Zeit Konsens in der Bundesrepublik Deutschland, Rüstungsexporte im Sinne des Friedensgebotes des Grundgesetzes restriktiv zu handhaben. Dieses bezieht sich auf eine Reihe von Regelungen, u.a. die Präambel des GG, Artikel 1 Abs. 2 GG und Art. 26 GG. In der Präambel heißt es, dass das Deutsche Volk, „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinigten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, sich dieses Grundgesetz gegeben hat. Nach Artikel 1 Abs. 2 GG bekennt sich das Deutsche Volk „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“. Artikel 26 GG nennt u.a.
- das Verbot aller „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“ (Abs. 1 Satz 1),
- „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ (Art. 26 Abs. 2 GG)
In rot-grüner Regierungszeit wurden „Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19.1.2000“ verschärft. Wie die Entwicklung der deutschen Rüstungsexporte seither belegt – und dies gilt ebenso für „Sündenfälle“ beim Waffenhandel der rot-grünen Bundesregierung – funktioniert die Selbstbindung über derartige freiwillige Grundsätze ganz offensichtlich nicht. Viel zu oft setzen sich wirtschafts- und industriepolitische Interessen durch und nicht menschenrechtliche Kriterien. Nach den geltenden Grundsätzen ist die „Beachtung der Menschenrechte … für jede Exportentscheidung von herausgehobener Bedeutung“. Genehmigungen würden grundsätzlich nicht erteilt, wenn ein „hinreichender Verdacht“ besteht, dass die infrage stehenden Waffen oder Rüstungsgüter zur Unterdrückung im Inneren oder zu anderen „fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen“ mißbraucht werden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert dementsprechend: „Die Einhaltung der Menschenrechte im Exportland sollte nicht eines von mehreren Kriterien, sondern ein entscheidendes Kriterium bei der Genehmigung von Rüstungsexporten sein (PM v. 6.12. 2012) Mit der Ankündigung der Bundesregierung, den jüngst von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit großer Mehrheit angenommenen Vertrag über die Regulierung des Waffenhandels (ATT – Arms Trade Treaty) Anfang Juni 2013 in New York zu unterzeichnen, hat sich die Bundesregierung auch international verpflichtet, vor Rüstungsexporten zu „prüfen, ob mit den Waffen Menschenrechte bzw. das humanitäre Völkerrecht ernsthaft verletzt werden können“ (Webseite Auswaertiges Amt).
Bundeskanzlerin Merkels neue out-of-area-Doktrin: „Friedenssicherung“ durch Rüstungsexporte an „Partner“ in Krisenregionen
Der Paradigmenwechsel der jetzigen Bundesregierung hin zur aktiven Förderung von Rüstungsexporten hat mit der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Tagung des zivilen und militärischen Spitzenpersonals der Bundeswehr im Oktober 2012 in Strausberg sichtbarsten Ausdruck gefunden. Demnach dienen Rüstungsexporte an „vertrauenswürdige Partner“ in Krisenregionen der Friedenssicherung („Merkel verteidigt Waffenexporte als Mittel zur Friedenssicherung“, in: Die Zeit, 22. Oktober 2012). Die Humanistische Union hält diese Strategie der Bundesregierung für unverantwortlich und einen schweren politischen Fehler, der mit unvertretbaren Risiken verbunden ist und mit den konkret anstehenden Rüstungsexporten z.B. nach Saudi-Arabien gegen die geltenden Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verstößt.
Hinzu kommt, dass aus den sog. Partnern sehr rasch die gefährlichsten Friedensstörer in der Region und Unterdrücker von Demokratiebewegungen im eigenen Land werden können – wie z.B. Saudi-Abrabien in Bahrein oder die Despoten in Libyen und Ägypten bewiesen haben. Bei der Werbung für den Kampfpanzer A7+, den Deutschland an Saudi-Arabien zu liefern plant, wird von den Rüstungskonzernen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, die Kanone, Feuerleitanlage und Munition beisteuert, eigens darauf hingewiesen, wie sehr dieser „Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts“ für „urbane Umgebung“ geeignet ist.
Pax Christi stellt fest: „Regionale Stabilität – das ist offenbar in den Augen der Bundesregierung ein moralisch-ethisches Gut, das wichtiger ist als die Menschenrechte (Rede der Pax-Christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann anlässlich der Protestaktion während der Hauptversammlung von Rheinmetall am 14. Mai 2013 in Berlin)
Fehlende Transparenz und Mangel an verbindlich geregelten Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages
Der Deutsche Bundestag hat keine verläßliche offizielle Informationen über aktuelle Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung, die im Bundessicherheitsrat über besonders gewichtige Kriegswaffenexporte entscheiden lässt. Dadurch kann weder eine parlamentarische noch eine gesellschaftliche Diskussion über das Für und Wider derartiger Exportgenehmigungen geführt werden. Eine Vorlagefrist für den jährlichen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung existiert nicht. In den meisten europäischen Ländern werden solche Berichte wesentlich zeitnäher und in kürzeren Abständen vorgelegt als in Deutschland (hier erst 12-18 Monate nach dem Berichtszeitraum).
Empfohlene Lektüre:
- Grässlin, Jürgen: Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient. 624 Seiten, München 2013.
- Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel“ unter www.aufschrei-waffenhandel.de
- Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE): Rüstungsexportbericht 2012, Januar 2013, www.gkke.org.
- Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rüstungsexporte kontrollieren – Frieden sichern und Menschenrechte wahren. Antrag v. 25.4.2012, BT-Drs. 17/9412 (Aufforderung zur Verabschiedung eines Rüstungskontrollgesetzes).
- Bundestagsfraktion der SPD: Frühzeitige Veröffentlichung der Rüstungsexportberichte sicherstellen – Parlamentsrechte über Rüstungsexporte einführen. Antrag v. 28.3.2012, BT-Drs. 17/9188.
- Bundestagsfraktion DIE LINKE: Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stoppen. Antrag v. 16.3.2011, BT-Drs. 17/5039.
Veröffentlicht von mwengelke am Sonntag, Juni 2nd, 2013 @ 5:34PM
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