Rede: Ostermarsch 2013 in Wedel
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Redebeitrag für den Ostermarsch 2013 in Wedel am 30. März
Michael Lindner (in Wedel)
Der Text steht hier zum Download bereit.
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
Ostern vor 12 Jahren, als die Türme noch standen, hatte der vor 11 Monaten leider verstorbene Oberstleutnant a.D. Prieß als Sprecher des Darmstädter Signals Sie hier begrüßt. Das Signal aber lebt und nimmt weiter sein Bürgerrecht auf freie Meinungsäußerung wahr. Der derzeitige Sprecher Leutnant Neumann war hierher eingeladen, aber der muss seine ganze rhetorische Begabung dieses Osterfest in BÜCHEL einsetzen, da geht es um die noch immer lagernden Atomwaffen, die aus unserem Land endlich verschwinden müssen. Der hat nun mich eingeteilt und so müssen Sie mit dem einfachen Signalmitglied ML zufrieden sein, aber ich kenne alle Ihre Küsten aus 20 Jahren Dienstzeit, davon 6 Jahre als Kompaniechef, da waren Deichbrüche und Schneekatastrophen, 1979 sogar gleich zwei, ich mag die Moränenlandschaften hier und kannte sozusagen damals alle Kühe hier mit Namen, von denen wohl keine einzige auf den Beinen geblieben wäre, wenn es damals geknallt hätte. Ich war einer von denen, die in den ABC-Meldezentralen bei den Manövern Wintex und Fallex die Auswirkungen zu berechnen hatten. Manchmal träume ich davon schlecht.
Es war für mich früher völlig undenkbar, anzunehmen, etwa noch mal auf einem Ostermarsch zu sprechen, allerdings hatte ich mich im Vorjahr erstmals immerhin als Zuhörer zu einem hingetraut, nämlich Ihrem hier in Wedel, für einen alten Soldaten ein Minenfeld, aber es kam so von innen. Nun steht man hier plötzlich selbst, so schnell gehen Veränderungen manchmal. Aber ich kann selbstverständlich nicht einen Völkerrechtler Norman Paech ersetzen.
Am 21. Nov. 12 berichtete die BERLINER ZEITUNG, daß BMVg de Maiziere eine grundlegende öffentliche Debatte über die Sicherheits- und Verteidigungspolitik vermisse. Die Menschen sagten lieber gar nichts, als was Falsches, beklagte er.
Ob das, was ich hier heute sage, falsch oder richtig ist, mögen Sie und andere beurteilen.
Wenn der Minister de Maiziere. die Debatte von uns nun einfordert, rede ich heute als Staatsbürger Lindner mal über das, was inzwischen meine persönliche Meinung ist.
Folgendes Bild bietet sich uns Bürgern:
Ex-Kanzler/BMVg Schmidt – hab ihn 1962 schon als Soldat bei der HH-Flutkatastrophe erlebt – erklärte in der SZ 19.03.10 auf die Frage, ob man jemandem noch empfehlen könne, Berufssoldat zu werden: „Ich würde dringend empfehlen, den Verstand anzustrengen und das dann nach dem Gewissen entscheiden.“
Ex-BMVg Rühe im SPIEGEL 26/11: „Am Hindukusch wird nicht unsere Freiheit verteidigt. Das ist die Lebenslüge dieser Bundesregierung“
ExStSekr BMVg Wimmer CDU in Berlin am 24.11.12 :“Westen und Werte waren mal eins, heute dreht sich einem der Magen um“ (selbst gehört, Scholl-Latour und ExBotsch Falin habens auch dort gehört)
ExStSekr BMVg Theo Sommer schreibt 2012 ein Buch: „Diese NATO hat ausgedient“
Selbst Generäle, wenn auch meist erst im Ruhestand, werden unruhig:
GenLt a.D. Sommerhoff schrieb schon 21.07.94 in der FAZ: „Der Soldat erlebt,
– dass Gesetze neu, anders, auslegbar sind,
-dass der NATO-Vertrag ohne Mitwirkung des Parlaments „weiterentwickelt“ wird und nichts mehr eine verlässliche Grundlage ist.
GenMajor a.D. Trull schrieb 17 Jahre später 25.05.11 in der FAZ:
„Was wir mit Streitkräften zu Beginn des 21.Jh vorhaben, wo die Gefahren und Herausforderungen liegen, bleibt nach wie vor ungeklärt.“
Klaus Naumann vom HambInstSozForsch im TAGESSPIEGEL 20.01.13:
Vielen Soldaten fehlt eine Vision. Was wollen wir mit der Bundeswehr? Ein Instrument der Politik. Man zieht in den Krieg – oder lässt es bleiben. Die Soldaten werden beschossen im Wissen darum, dass die Mehrheit der DEU die Einsätze ablehnt. Klammer zwischen Gesellschaft und Armee gibt es nicht mehr. Mancher Soldat erzählt Geschichten von Anfeindungen, Ablehnung in den Familien, gar Rempeleien.
Leitbild des StBü in Uniform war Antwort auf Katastrophe des NS. Bw sollte ausschließlich der Verteidigung dienen. So steht es bis heute ja auch im Grundgesetz. Rechtsphilosoph Depenhauer Uni Köln sagt, hier gelte das Gebot strikter Texttreue.Aber Norman Paech sagte neulich in Kassel: „Es gibt eine Anpassung des Rechts an die Politik, Juristen folgen den Trommeln der Regierenden.“ Mein Eindruck ist: Sie dienen jeder Macht, die als Staatsmacht auftritt.
FAZ 23.01.13 aus Allensbach:: 78 % der DEU haben von Obama eine gute Meinung, doch hinter dieser glitzernden Fassade hat sich das Bild Amerikas bei den DEU verdunkelt. Emotional entfernen wir uns langsam aber sicher von Amerika. Das Besondere der Beziehung – Amerika war doch mal sowas wie unser großer Bruder – ist offenbar vorbei.
Die Antwortmuster der DEU änderten sich nach dem 2.Irakkrieg vor 10 Jahren, nur noch 11 % statt 50 % vordem sahen die USA als besten Freund. Trotz Obama hat sich das alte Antwortverhältnis nie wieder eingestellt.. Zwar sagte de Maiziere zum Auftrakt der Münchner Sicherheitskonferenz: Europa ist bestmöglicher Partner für Amerika. Aber immer mehr DEU fragen sich offenbar, ob Amerika ein guter Partner für DEU ist.
Sind die USA für uns heute noch ein Vorbild? 1997 sagten das immerhin noch 30 % der DEU, heute nur noch 11 %.
Wie kommt das?
Ich selbst bin als Schuljunge in den Fünfziger Jahren in West-Berlin aufgewachsen, empfand die Kaugummi verteilenden Amis echt als Freunde, wir hoben deren Kippen auf, Mittwochs gabs Kakao mit Wasser vom Senat, Freitags aber mit Milch von den Amis – oder umgekehrt, egal, ist ja lange her, heute aber weiss ich: Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen, diese sog. Freundschaft galt wohl eher unserer geographischen Lage an der Nahtstelle der beiden antagonistischen Systeme.
Heute erleben wir, wie überall auf der Welt mutmaßliche Terroristen zu Rechtlosen erklärt werden, wir erleben eine Abkehr von grundlegenden Menschenrechten, für die Amerika mit seiner Verfassung stehen sollte und für die es uns mal Vorbild war.
Gefangene in Drahtkäfigen, Waterboarding “ 2009 wurde erklärt, Guantanamo werde binnen 12 Monaten geschlossen, ist es bis heute nicht. Gefangenschaft von unbegrenzter Dauer ohne Gerichtsverfahren, ohne Anklage, mit der Aussicht. „Raus nur im Leichensack.“
6. März bei SPON wieder neue Berichte über US-Folternetzwerk im Irak, Nägel ausgerissen, Stromschläge verpasst, soll Abu Ghraib in den Schatten gestellt haben. Alles im Namen von uns, des freien Westens. Petraeus wusste alles, wurde danach CIA-Chef, kein Feind, sondern ne Frauengeschichte brachte ihn zu Fall.
Übernahmen von Gefangenen von pakistanischen Behörden gegen Kopfgeld, Beschuldigungen nur aufgrund von Behauptungen solcher Lieferanten. Der türkischstämmige Deutsche Murat Kurnaz aus Bremen für 3000 Dollar von der PAK Polizei an die Amerikaner verhökert, für eine solche Summer kann ein Denunziant in PAK heiraten. 1600 Tage Käfighaltung, Isolationshaft, Elektroschocks, sein Buch „5 Jahre meines Lebens“ 2007 bei Rowohlt erschienen.Alles im Namen von uns, des freien Westens.
Mit dem Foltervirus hat sich die ganze Welt angesteckt, auch Europa. Die SZ berichtete erst am 07.02.13 wieder über die bereits 2005 von der Washington Post enthüllten Geheimgefängnisse der CIA z.B. in Masuren/Polen 2003 “ herrliche Landschaft, gleiche Moränen wie in Ostholstein, in Litauen, in Rumänien, diese Länder haben in blinder Bündnistreue zu den USA ihre eigene Verfassung verletzt, dazu gibt es einen Untersuchungsbericht des Europarats. Was Polen betrifft, so sind die Ermittlungen 10 Jahre lang veschleppt worden, der EGMR hat vor ein paar Wochen angekündigt, er werde demnächst die Prozessunterlagen veröffentlichen. 54 Länder sollen bei all dem mit den USA kooperiert haben, wir sowieso. Wir sind der freie Westen.
Die UNO-Konvention von 1984 gegen Folter beinhaltet Delikte, die zu ächten und zu ahnden sich die ganze Welt zuvor versprochen hatte. Und kein anderer als Robert Jackson, US-Ankläger in Nürnberg, sagte dort vor den noch rauchenden Trümmern des II. Weltkrieges: „Es kann schweres Unrecht auch dann Unrecht sein, wenn die Machthaber es zu Recht erklärt haben.“
Wenn der US-Präsident heute der Auffassung ist, man müsste jemanden töten, dann wird der getötet samt allen, die drumherum stehen. So ein schmutziger, heikler Geheimkrieg unter Ausschluß rechtsstaatlicher Verfahren passt nicht zu einer Schutzmacht v. Freiheit und Demokratie, aber die Faktoren sind in der Politik des Hegemons offenbar festgewebt, unabhängig von jeder Präsidentschaft:
Die Zustimmung zum Krieg gegen Vietnam durch den Kongress erlangte Lyndon B. Johnson mit der Lüge, dass nordvietnamesische Torpedoboote 02.08.64 einen US-Zerstörer angegriffen hätten.
1971 dann Anhörung „Winter Soldier“ in Detroit, 150 Zeugen schilderten 3 Tage lang, was sie sahen oder begangen hatten: Vergewaltigungen, Elektrofolter, Zahngold rausbrechen, gefangene Vietcong wurden als Minenhunde eingesetzt, aus Hubschraubern geschmissen. Massaker MY LAI – die Älteren erinnern sich noch an einen Lt Calley – war keine einmalige Verirrung, das Archiv über US-Kriegsverbrechen in Vietnam umfasst 10.000 Blatt und wurde erst 1994 ans Nationalarchiv übergeben. Die Arbeit des Hamburger Historikers Greiner (InstSozFo) „Krieg ohne Fronten“ ist die weltweit erste Buchpublikation. Sollten Sie aber vorher 30 Tropfen Baldrian nehmen! Der Oberst an Lt Calley: „Was, keine Toten? Sie sollten allmählich anfangen, gründliche Arbeit zu leisten Leutnant. Sonst suche ich mir einen der das kann.“ (S. 284). Auch Kinder? „Wenn wir die Mütter töten, werden sie keine Vietcong mehr produzieren. Wenn wir die Kinder töten, werden sie nicht zu Vietcong heranwachsen. Und wenn wir alle töten, wird es am Ende keine Vietcong mehr geben.“ (S.330) Das ganze Buch geht so, ausgezeichnet als bestes fremdsprachigs Buch zur amerikanischen Geschichte. 20 Euro..
Jonathan Schell (Kolumnist beim NewYorker, lehrte in Princeton, bei uns bekannt durch das Buch „Das Schicksal der Erde“:.: in Buch Observing the Nixon Years: „Wenn wir dieses hinnehmen, gibt es dann überhaupt noch etwas, was wir nicht hinnehmen?“
Aber auch der im März 2003 eröffnete 2. Krieg gegen den Irak wurde nur mit Lügen gerechtfertigt.
UN-Mandat gabs nicht, USA und GB griffen VR-widrig an. DEU und FRA verweigerten sich – so gut es ging. Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen und Existenz von Laboren für B-Waffen, alles blieb haltlos, auch keine Zusammenarbeit Saddams mit al-Qaida erwiesen.
CIA-Analysten in Langley gaben dem Druck von Cheney (Vize v.. Bush) und Rumsfeld (VertMi) nach und frisierten Daten und Analysen solange um, bis sie ins vorgefertigete Schnittmuster passten.
Joshua Key, der nach 6 Monaten aus dem Irak nach Kanada desertierte, in seinem Buch: „Wir gaben dem irakischen Volk nur eines: einen Grund, uns auf Generationen zu verabscheuen oder uns gar umbringen zu wollen.“
Nicht als Befreier willkommen geheissen zu werden heisst stets, einen Krieg ohne Fronten führen zu müssen, so etwas zersetzt wie ehedem im Dschungel Vietnams die Truppenmoral regulärer Armeen in ganz kurzer Zeit. Wie ja auch Traumatisierungen wie PTBS – Reemtsma schrieb darüber 1996 – auf die Seelen dann am meisten zerstörend wirken, wenn der Kämpfer zuhause nicht das erhält, was ihm nach seiner Meinung zusteht. Wir nehmen die aus AFG zurückkehrenden aber offenbar nicht in die Arme, weil wir zu glauben wissen.. Der Rückkehrer läuft allenfalls dem nächsten Fahrkartenkontrolleur in die Arme.
Es ist die Frage, warum die US-Militärführung 30 Jahre nach Vietnam nun in AFG – wozu ich noch komme – erneut in die gleiche Falle ging.
Die USA haben jetzt den Präsidenten Obama. Der hat durchaus mit einigen Positionen seines republikanischen Vorgängers gebrochen, z.B. die exterritorialen Geheimgefängnisse geschlossen.
Montag diese Woche wurde das US-Gefängnis BAGRAM an die AFG Behörden übergeben, paar Stunden später traf US-Außenmin. Kerry ein, das war wohl AFG Bedingung für Gespräche.
Bisher hat er aber an nahezu allen Antiterrorismus-Massnahmen seines Vorgängers festgehalten. Obama hat bisher nicht erklärt, wann der bestehende „Ausnahmezustand“ ein Ende finden wird. Hoffnung, dass Folterungen unter Bush rechtlich belangt werden, sind praktisch erloschen, wie die NY-Times am 05.09.12 meinte. Selbst den Vernehmern, die Gefangene zu Tode folterten, droht bisher keine Strafverfolgung.
Sie erinnern sich, ich hatte eingangs von der wachsenden Entfremdung von Amerika in Deutschland berichtet. Es stellt sich vielleicht doch überhaupt die Frage, ob und warum mehr als eine halbe Milliarde Menschen der Europäischen Union von 311 Millionen Amerikanern verteidigt werden müssen, die dazu noch über den Atlantik kommen müssten. Lassen Sie mich daher jetzt zur NATO kommen.
Die NATO hatte mal einen Gegner und nun hat sie keinen mehr. Aktuell fragen wir uns : QUO VADIS NATO? Wohin gehst Du?
Abschreckungsbündnis oder Interventionsbündnis?
Landesverteidigung gegen welchen Gegner? Weltgendarm am US-Leitseil? Reserve für die UN?
Theo Sommer verglich bei einem Vortrag Körber-Stiftung 2012 die NATO mit einem „Hammer auf der Suche nach Nägeln.“ Geht Sie jetzt auf die Suche nach Ungeheuern?
Brief Wolfgang Radinger in Heike Gross 2. Buch: „Das ist auch Euer Krieg.“:
„Seid Ihr wirklich in dem Bewusstsein Soldat geworden, um auf Anordnung der Mehrheit unserer Bundestagsabgeordneten überall auf der Welt … oder wolltet ihr eigentlich nur unser Land verteidigen, so wie es im Grundgesetz steht?“
Die Befürchtung unserer Soldaten, nicht anerkannt zu sein, kann sich erst auflösen, wenn wir uns darüber verständigen, was wir von der Bundeswehr wollen – und uns dann dran halten. Die Soldaten würden gern wissen, was der Dienstherr mit ihnen vorhat. Die derzeitigen Konflikte werden von der Gesellschaft NICHT als existenziell für DEU empfunden.
04.04.49 noch während der BERLIN-Blockade wurde das Bündnis gegründet. 1955 trat DEU bei. Seit 1989 erleben wir eine permanente Transformation: 3 x wurden die KdoStrukturen reformiert, 3 x gabs ein neues strategisches Konzept.. Inzwischen sind es 28 Staaten mit durchaus unterschiedlichen Vorstellungen. Die Formulierungen in den Konzepten sind unscharf, verpflichten zu nichts, erlauben alles, da gehts um Massenvernichtungswaffen, Terrorismus, regionale Krisen, Handelsrouten, Cyber-Attacken, Migrationsströme usw. Immer die gleiche Litanei, aber ob all das Soldaten bewältigen können?. Geografische Abgrenzung des Raumes gibt`s offenbar jetzt überhaupt nicht mehr:
Der 1949 getroffene Vertrag bezog sich auf die Landgebiete der Mitgliedstaaten und deren Inseln nördlich des Wendekreises des Krebses. Das allein hatten die Parlamente mal gebilligt.
Alles andere wurde offenbar in Washington beim Kaffee abgemacht, wie NP in Kassel sagte “ die Parlamente wurden doch gar nicht mehr gefragt. Einer Ausweitung haben sie nie zugestimmt. Das wurde gar nicht diskutiert. Das wurde uns UNTERGEJUBELT.
Auf dem NATO-Gipfel 1999 Washington wurde in der Auslegung der US-Außenministerin Albright die NATO jetzt plötzlich eine Kraft des Friedens zwischen Mittleren Osten und Zentralafrika, damit war AFG und Naher Osten mit drin. Hat darüber der Bundestag debattiert, hat er zugestimmt?
Auf dem NATO-Gipfel 2002 wurden die regionalen Beschränkungen dann ganz aufgegeben. Das wurde im amerikanischen Sinn entschieden: Truppen werden da eingesetzt, wo immer sie gebraucht werden. Frau Merkel soll zwar dem Bundestag gesagt haben: „Ich sehe keine globale NATO“. Aber wird sie nicht durch die Hintertür durch „globale Partnerschaften“ doch ausgeweitet? Die Amerikaner wollten ein Expeditionsbündnis für bewaffnete Interventionen rund um die Welt. Das ist es, was uns heute so umtreibt. Jedenfalls wohl viele von Euch, die hier jetzt heute stehn .
Bereits aus Somalia zogen die USA 1994 ruhmlos ab, die Lehre haben sie bis heute nicht beherzigt: Es hat keinen Sinn, dort militärisch einzugreifen, wo Clan-Egoismen und Stammesdenken jedes gesamtstaatliche Empfinden überwiegen. Man kann unser demokratisches System nicht in die Herzen der Menschen solcher Gemeinschaften praktisch hineinschiessen, auch nicht wie in AFG mit 130,000 Soldaten aus 48 Ländern.
LIBYEN zeigte, dass die NATO offenbar von aktionshungrigen Mitgliedern „gekapert“ werden kann, Entscheidungen fallen in kleinstem Kreis. Aus dem ursprünglichen Zweck, die libysche Bevölkerung zu schützen, wurde die Herbeiführung des Machtwechsels in Tripolis, das war in der UN-Resolution 1973 aber gar nicht vorgesehen.
Es stellen sich uns somit folgende Fragen:
Wertegemeinschaft – noch Basis oder nur noch Floskel?
Amerika und Europa – noch Partner?
Sind unsere jeweiligen Werte und Interessen überhaupt noch deckungsgleich?
Wir Europäer wollen die Welt nicht umformen. Wir haben 500 Jahre Kolonialismus hinter uns.
Die Amerikaner aber sehen die Ausbreitung ihres Modells auf die ganze Welt offenbar als ihre Bestimmung, US-SichBerater Sandy Berger für Irak: „Regimewechsel muss unser Ziel sein“.
Condoleezza Rice.“Aufbau demokratischer Staaten ist Bestandteils unseres Interesses“
USA – ein Land – so hat man den Eindruck – auf der angestrengten Suche nach Ungeheuern zum Erschlagen!
NATO der Zukunft jedoch müsste fragen: Was bedroht uns wirklich existenziell?
Robert Kagan 2003 (in Macht und Ohnmacht, danach Die Demokratie und ihre Feinde)
„Wir sollten nicht länger so tun, als hätten Europäer und Amerikaner die gleiche Weltsicht“ gleich als 1.Satz Europäer auf der Venus, Amerikaner auf dem Mars Wahre Sicherheit hänge vom Einsatz und Besitz militärischer Macht ab WIR Europäer, wir Deutsche kommen vom Mars, Mr. Kagan!: von Austerlitz und Verdun, von Solferino und von Coventry, vom Kursker Bogen und von Stalingrad, folgerichtig von den Seelower Höhen 1945 — diese Phase haben wir hinter uns!
UNO-Charta ist völkerrechtlich das Maß aller Dinge! Das muss dann aber doch die Handlungsfähigkeit der NATO logisch begrenzen, wenn kein Mandat der UNO da ist.
Zwar ist wahr ist auch wiederum, dass USA und EU mehr gemeinsam haben als mit anderen.
Und im Jahr 2050 sind 9 Mrd Menschen auf der Welt, nur eine Mrd davon US und EU zusammen. Das ist das Dilemma.
Aber eine Allianz kann doch nicht funktionieren, wenn das nationale Interesse der stärksten Macht das Kriterium für den Einsatz der Streitkräfte aller ist.
Sind wir denn tatsächlich nur Erfüllungsgehilfe bei der Realisierung amerikanischer geopolitischer Träume?
Die NATO war doch mal zur Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten gegründet worden.
Meine Generation hat dran geglaubt. Wir müssen zurück zu diesen Wurzeln!
Statt von Washington einfach Doktrinen zu verkünden, wäre ein neuer NATO-Vertrag auszuhandeln gewesen!
Demokratische Regierungen haben die Meinung der Wähler über alle außenpolitischen Erwägungen zu stellen, Frau Merkel! Auch wenn Sie von Doktorarbeiten inzwischen sicher genug haben, lesen Sie mal die von Dr. Henry Kissinger, später AußMin unter Nixon, 1938 aus einem verrückt gewordenen Land gerade rechtzeitig emigriert, was er zu Metternich und Castlereagh schrieb, dann werden Sie besser erkennen, warum man Sie innenpolitisch nicht versteht. Eine konsequente öffentliche Meinung ist stark!
Unsere Kultur der Zurückhaltung sollte uns Genugtuung bereiten. Wir vermeintlich todessüchtigen DEU ertragen den Vorwurf der Bellizisten, wir seien nach 1945 ein postheroisches Volk geworden. Es ist ja erst exakt 70 Jahre her, dass Goebbels gleich nach der Katastrophe von Stalingrad brüllte: „Nun Volk steh auf und Sturm brich los!“ Der Staub, den die Explosion des II.WK in die Atmosphäre geschleudert hat, regnet immer noch auf uns herab, schrieb Wolfgang Michael vor 8 Tagen in der FAZ.
Das Problem unseres Verteidigungsministers ist, dass die Erfahrungen DEU mit AFG-Einsatz beim Volk zu einem neuen NIE WIEDER führten. Das richtet sich aber nicht gegen unsere Soldaten als solche, die manchmal nicht genau zwischen Ablehnung ihrer fremdbestimmten Aufträge und Ablehnung der Bundeswehr unterscheiden können.
Wir wollen uns einfach nicht in der blossen Rolle eines tributpflichtigen Vasallen namens Bundesrepublik Deutschland wiedererkennen müssen.
Carters Strategischer Vordenker Brzezinski hatte bereits 1997 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ geschrieben, dass es Tatsache BLEIBE, dass Westeuropa und Mitteleuropa weitgehend amerikanisches Protektorat blieben. IST das denn Tatsache?
NATO als Werkzeugkasten für die USA, aus dem wich die Willigen bedienen?
Die EU kann doch nicht klaglos alles schlucken, was aus Amerika kommt.
Begriffe wie targeted killing oder Privatisierung der Kriegführung gehören im Bündnis diskutiert.
Daher europäischer Pfeiler EU. (Gründung einer europäischen Armee (Churchill 1950)
USA haben aber stets eher solche Bemühungen sabotiert, EU-Unabhängigkeit lag nie in ihrem Interesse, sahen sie als Schwächung der NATO.
Wie siehts in EU derzeit aus?
London und Paris stört unser Parlamentsvorbehalt nach dem Urteil BVerfG 1994. Aber keine Mehrheit für Änderungen in DEU in Sicht. Die Erwartung der Partner an DEU als Mittelmacht stehen der Ablehnung militärischer Interventionen durch die DEU Bevölkerung entgegen. Darum wirkt die DEU Politik oft so widerspruchsvoll.
Nationale Egoismen sind Hemmnis wirklich gemeinsamer VertPol, daher b.a.w. nicht realistisch.
Es fehlt auch an einer gemeinsamen Strategie.
Einige Länder wollen RUS einbinden, so DEU FRA IT.
FRA-DEU-RUS hätte aber Merkmale einer Grossmacht. Das zu verhindern muss als vorrangiges SichInt der USA gesehen werden. Die Parlamente wie Regierungen des Westens haben also erhebliche Hausaufgaben schlicht noch vor sich!
11-jährige Kriege führen manchmal dazu, dass man gar nicht mehr weiss, warum sie überhaupt stattfinden. Erinnern wir uns: Die Türme in NY stürzten ein und die USA wollten verhindern, dass al-Qaida sie je wiederangreife. Al Qaida war dort aber bald besiegt, die Amerikaner aber sind immer noch da.
Am 19. März 2010 gab Helmut Schmidt ein langes Interview in der SZ und sagte: „Es war unsere Sache, solange es sich um die Türme in NY gehandelt hat. Der Zweck der Intervention ist erreicht. Inzwischen sind wir bei einem ganz anderem Zweck.“
Bereits ein Jahr zuvor, im Zeit Magazin Nr.40/09 hatte er gesagt, Al Quaida sei nun ein Haus weiter, in Pakistan. Man hätte vorher wissen können, dass man seine Ziele nicht erreichen kann, die auch immer unschärfer würden. Er wolle erstmal wissen, was der Westen wolle.
Und wiederum 1 Jahr davor, am 08.12.08, hatte er der FAZ ein Interview gegeben und da nach dem gegenwärtigen Auftrag gefragt und gesagt, einen einigermaßen funktionierenden Staat AFG hätte es noch nie gegeben und wenn wir Al Qaida ganz auslöschen wollten, dann müssten wir in Pakistan einmarschieren. Die Legitimation durch den Sicherheitsrat umfasse nicht die Beseitigung der Taliban. Er fragte schon 2008: „Was will der Westen in AFG? Was soll der Westen eigentlich dort wollen? “
Also müssen wir uns als Bürger nicht schämen, wenn wir das auch nicht wissen. Aber wenn man uns auch nichts erklärt, so ahnen wir, nein, wir wissen inzwischen: Was elf Jahre lang falsch war wird im zwölften Jahr nicht richtig. Dieses Deutschland jedenfalls ist dieses Krieges überdrüssig und betrachtet ihn mit Abscheu. So etwas darf uns nie wieder passieren. Es gibt eine überwältigende Ablehnung dieses Krieges in DEU. Wir als Bürger fühlen uns nicht ehrlich behandelt. Legitimation erwirbt eine Regierung durch Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das gilt besonders für derartige Kriege.
Am 10.01.13 wurde in Common Dreams veröffentlicht ein Interview Elsa Rassbach mit der ehmal. AFG-Parlamentsabgeordnete Malalai Joya, in dem sie sagte Karzai verkaufe AFG öffentlich an einen fremden Herrn. Die Amerikaner wollten aufgrund der geopolitischen Lage in AFG bleiben. Von dort könne man Pakistan, Iran, Russland und China kontrollieren. Diese Pläne reichten Jahrzehnte zurück. Alles Gerede über Frauenrechte, Demokratie usw. sei eine reine Farce .Das könnte wohl so sein . Wenn die ausländischen Truppen abzögen, wäre zumindest eines der schlimmsten Übel weg, der Krieg im Lande werde so oder so weitergehen. Sie sagte auch:“Wir haben genug von der sogenannten helfenden Hand der USA und der NATO.“ Am 16. Februar sagte Karzai:“Wir sind glücklich, dass die ausländischen Truppen sich aus AFG zurückziehen. Weder die USA noch Pakistan noch DEU oder FRA seien Eigentümer dieses Landes, sondern das AFG Volk“
Jürgen Todenhöfer war 18 Jahre lang Abgeordneter der Partei Frau Merkels. Er schrieb im SPIEGEL 6/2011 ein Essay über den Krieg der vier Lügen. Es handele sich dort um nationalen Widerstand gegen unsere Gewalt, es ginge uns v.a. um unsere Interessen, die Kosten des Zivilaufbaus betrügen nur einen einen Bruchteil der Militärausgaben dort und unsere Politiker würden weiterhin pathetische Märchen erzählen, von Tapferkeit und Vaterland. Um nicht eingestehen zu müssen, dass sie Öffentlichkeit und Soldaten zehn Jahre lang irregeführt hätten.
Das wissen auch alles die Amerikaner. William Polk veröffentlichte 2007 „Violent Politics“, ein Buch, das die Hamburger Edition 2009 auf deutsch herausbrachte: Heisst schlicht Aufstand. Widerstand gegen Fremdherrschaft. Er untersuchte ein Dutzend Fälle, z.B. Algerien, Mau-Mau in Kenia, Vietnamesen gegen Franzosen, AFG gegen Briten, AFG gegen Russen, den Aufstand auf den Philippinen im Jahr 1900 usw. Sie müssen die Länderkapitel aber gar nicht alle lesen. Es reicht der AUSBLICK am Ende, da zieht er sein Fazit:
Wenn ausländische Truppen in ein Land einmarschieren und seine Gesellschaftsordnung zerstören, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass am Ende nicht Reformen stehen, sondern Chaos.(S.293)
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Fremde jemals das für eine erfolgreiche Aufstandsbekämpfung notwendige Element auf ihrer Seite haben werden (S.291)
Jede zahlenmässige Verstärkung schüchtert die Einheimischen nicht ein, sondern bringt mehr Feindschaft gegenüber den Fremden und schafft mehr Angriffsziele (282)
In der langen Geschichte der Aufstandsbekämpfung war den Ergebnissen, wie den Methoden eines gemeinsam: Das totale Scheitern (293)
Eine fremde Macht ist nicht in der Lage, einen entschlossen geführten Aufstand militärisch niederzuschlagen – es sei denn durch einen Genozid. Und er schließt:
„Die Neokonservativen sind keine Konservativen. Es sind Radikale. Was sie vorhaben, läuft auf einen weltweiten Kreuzzug hinaus. Dieser Weg führt ständig nach unten, in einen permanenten endlosen Krieg – die Menschheit hängt an einem Kreuz aus Eisen.“ (312)
Hat die Bundeswehr aus diesem Buch gelernt? Vor 12 Tagen unterschrieb der Heeresinspekteur Kasdorf einen „Leitfaden Aufstandsbewältigung, Handlungsempfehlungen für Truppenführer“, 46 Seiten.
Sie haben sich nicht verhört. Noch nicht ganz gelesen, kriegte ihn erst vorgestern. Aber S. 34: Aufstandsbewältigung ohne gesamtstaatliche Anstrengungen rein militärisch zu bewältigen, sei eine Illusion. Immerhin, was für eine Erkenntnis nach 11 Jahren!
Was hat man seitens der Franzosen in Algerien nicht alles versucht und es kommt uns doch alles so bekannt vor: Die Dubliner Historiker Feichtinger und Malinowski haben davon im Aufsatz „Konstruktive Kriege“ in der Zeitschrift „Geschichte und Gesellschaft“ 2011 berichtet. Ein Krieg, der bewaffnete Entwicklungshilfe sei, sei ein modernes Märchen. Schon im Algerienkrieg ging es um Beschulung der Mädchen und Emanzipation der Frauen, es fanden Entschleierungskampagnen statt. Das französische Militär transportierte Tausende von Nähmaschinen zur Modernisierung der algerischen Frauen. Auch damals verteilten Soldaten Schokolade. AFG wiederhole Algerien gespenstisch. Frauen vor der Gewalt ihrer Ehemänner, Onkel und Brüder zu schützen und die Sache mit den Mädchenschulen – alles wiederhole sich. In den acht Jahren Kampf wurden eine halbe Million Algerier und 25000 franz Soldaten getötet. Die rein militärische Macht brachte nichts. Frankreich verlor diesen Krieg trotzdem.
Und den in Indochina genauso wie die USA später in Vietnam.
Der Amerikaner William Pfaff schreibt für International Herald Tribune und Londoner Observer, in den Foreign Affairs meinte er: AM Condoleezza Rice wolle die „Welt verändern nach Amerikas Bilde“, an dieser Zwangsvorstellung litten in Amerika beide Parteien, das sei so uramerikanisch wie APPLE PIE. Aber – so weiter – die US-Streitkräfte würden mit ihrem absurden Vorhaben aufs Haupt geschlagen werden, wie Truppen des British Empire und des russischen Zarenreichs.
Dr. Markus Kaim, Leiter FoGrpSiPo bei SWP Berlin: Bündnispolitische Überlegungen gaben damals den Ausschlag, den Regierungen wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als den Erfolg in AFG schlicht zu behaupten. SWP berät auch die BuReg.
DIE ZEIT schrieb vor 9 Tagen: Weil die Intervention gescheitert ist, will man raus. Weil man rauswill, muss man so tun, als sei sie nicht gescheitert. Der eigentliche Skandal sei, dass die Niederlage abgestritten werde.
Nach amerikanischen Zahlen ist von 36 Brigaden der AFG Nationalarmee nur eine einzige ohne ausländische Unterstützung als einsatzfähig zu bezeichnen. (Bericht FAZ 05.02.13 von Lothar Rühl) 10 Tage später berichtet die gleiche Zeitung am 15.02. von der Einschätzung des BMVg. Die AFG Armee, die ihre Zielgröße fast erreicht habe, könne als weitestgehend einsatzbereiter Akteur angesehen werden, 80 % der Einsätze würden von der AFG Armee angeführt., die im Regionalkommando Nord, wo die DEU stationiert seien, schon bei sämtlichen Operationen die Führungsrolle übernommen hätten. Was sollen wir als lesende Bürger denn von solchen Widersprüchen halten? Die ISAF hatte kürzlich erklärt, die Zahl der Anschläge 2012 sei gegenüber Vorjahr um 7 % zurückgegangen. Am 27.02. ruderte das Bündnis zurück und sagte, die Zahl sei doch nicht zurückgegangen. Thomas Ruttig vom AFG Analysts Network in Kabul sagt, es sei von 2002 bis 2010 kontinuierlich abwärts gegangen, seitdem verharre die Gewalt auf hohem Niveau. Dies auszusprechen sei aber nicht opportun, schließlich sei 2014 der Abzugstermin. Inzwischen soll die Statistik aber abgeschafft worden sein, ZEIT vor 9 Tagen, wenn die Realität nicht zur Propaganda passe, müsse eins von beiden weichen.
D.M. hat am 07.03. in der FAZ Vorschläge für AFG-Einsatz angekündigt, aber alles hänge von der amerikanischen Führungsmacht ab. Die Soldaten sollten in Varianten denken, entweder käme es zu einer Stationierungsgröße X oder auch zu einem vollständigen Abzug. Das gilt auch für das Vorhaben Ausbildungsmission. Alles sei offen im Moment. Es hat fast den Anschein, als wenn Oberbefehlshaber Obama denkt, dass es da nur noch etwas zu gewinnen gäbe, wenn man das Land jetzt verlasse.
Am 26.März, vor 96 Stunden sagte der australische Verteidigungsminister Smith in SIDNEY, die Mehrzahl seiner 1650 Soldaten werde noch dieses Jahr abgezogen:“Wir waren dort ein Jahrzehnt, das ist deutlich zu lang.“
Wie sollen wir uns unseren Abzug handwerklich vorstellen? Den sofortige Abzug halte ich nicht für möglich, aber den baldmöglichen anstreben. Wir können da jetzt nicht flüchten. Neben den Menschen geht es um 6000 Container und 1700 KFZ. Vorschlag, alles einfach dalassen oder in die Luft zu sprengen, war ja auch schon zu lesen. Bleiben wir bitte realistisch, auch wenn manchem wohl nach emotionalen Lösungen ist:
1) Zwei Drittel werden mit großen Mietflugzeugen in die Türkei ausgeflogen, dort werden die KFZ und das Mat sortiert und vom Flugzeug aufs Schiff umgeladen. Abtransport über Pakistan und Indischen Ozean wurde als unzweckmässig angesehen.
2) Weiterhin gibt es zur Nutzung eine Eisenbahnstrecke von Mazar-Scharif nach Usbekistan und dann über russische Schienen nach Europa, aber gem. Transitabkommen nicht für militärische Güter, sondern nur neutrale wie Büro- und Wohncontainer, etwa ein Viertel des Gesamtvolumens.
3) Sensibles Material – Munition, geheimes Schriftgut, Hochwertiges – etwa 10 % soll von Mazar direkt nach DEU geflogen werden.
Ende 2013 sind nach derz. Stand nur noch 3.300 DEU Soldaten in Mazar-i-Sharif konzentriert. Fortsetzung der Arbeit nur, wenn gewährleistet wird, dass Verwundete binnen 60 min in eine Notfalleinrichtung gebracht werden können, schon die Hubschrauber und das Lazarett erfordern hohen personellen Aufwand. Berlin hofft auf Unterstützung anderer Staaten, deren Interesse sich aber in Grenzen zu halten scheint.
SZ meldete 23.02.13, es sei mit späterer Gesamteinsatzstärke 8.000-12.000 zu rechnen, zwei Drittel davon würden die USA übernehmen. Es werde erwogen, Mitte Juni ein Gipfeltreffen der Allianz nach Brüssel einzuberufen. Alles hängt aber auch davon ab, ob es ein Truppenabkommen mit AFG wegen der Gerichtsbarkeit gibt, auch, was für Rechte die Soldaten im Lande hätten. Kommt es nicht dazu, würden die Amerikaner wie im Irak wohl komplett abziehen.
Ein Gedanke noch zu den gefährdeten einheimischen Helfern in AFG, denen Gefahr droht. Das sind z.B. Dolmetscher, Wachleute und örtliche Projektleiter, die jetzt schon anonyme Anrufe erhalten, sie sollten mit ihrer Arbeit aufhören, sonst koste sie das ihr Leben.
Kanada und die USA haben ein Aufnahmeprogramm für ihre Mitarbeier beschlossen, Frankreich nahm knapp 170 Helfer bei seinem Abzug auf. Neuseeland lässt seinen 23 Übersetzern die Wahl: Entweder sie bekommen Visa oder drei Jahresgehälter, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Integration der AFGHelfer wäre in DEU eigentlich kein großes Problem, es gibt hier schon 90.000 ansässige Afghanen, die 2.000 Mitarbeiter und ihre Familien fielen kaum auf. Doch das wäre ja auch ein Eingeständnis, dass in AFG nicht alles so läuft, wie DEU Politiker in ihren Reden behaupten. DIE ZEIT berichtete am 07.02.13 von einem Dolmetscher Tarik Ayub, der bei der Konrad-Adenauer.-Stiftung in Kabul arbeitet und Angst hat. Er geht jeden Tag an den Porträts von Angela Merkel und Thomas de Maiziere vorbei. Wissen die überhaupt, dass er sich fürchtet?
Wir Deutsche sollten hier großzügig sein und diese Menschen nicht verraten.
Bei den weltweiten Rüstungsexporten liegen die USA bei einem Drittel vorn, die Russen folgen mit einem Viertel, wir DEU Platz 3 mit 9 %, folgen FRA 8 %, China 6 %, GB 4 %.
Wir haben die strengsten Exportrichtlinien und sind dennoch drittgrößter Exporteur. Ausfuhrgenehmigungen in Drittstaaten (nicht NATO, EU) haben sich binnen 10 Jahren verdreifacht. 2010 29 % für sog. Drittstaaten, 2011 schon 42 %. Hiergegen richtet sich berechtigt Widerstand.
Es müssen offenbar neue Märkte her, ein paar Hundert Panzer für die Saudis vertreibt sicher die Leere bei Krauss-Maffei.
Regierung will vor allem heimische Rüstungsindustrie erhalten, da erklärt man dann die Zielländer mal schnell zum Stabilitätsanker. Das Konzept der Regierung Merkel dafür heisst jetzt ERTÜCHTIGEN statt EINMISCHEN.
Wir haben in EUROPA im Rüstungsbereich unsinnige Überkapazitäten:
4 Hersteller für Kampfpanzer,
5 für Schützenpanzer,
7 für geländegängige Radpanzer, auch DEU übertreibt es ja nicht mit EU-Gemeinsamkeit
Aber Vorsicht: Der Verbündete von heute kann der Gegner von morgen sein. Waffen bleiben oft länger funktionsfähig als die Regierungen am Ruder, die sie bestellt haben.
Argument:“Wenn wir nicht liefern, liefern andere“ zeigt, wie das Verantwortungsgefühl vor die Hunde geht.
Es geht eben auch um 80.000 Arbeitsplätze im Kernbereich, zusammen mit Zulieferern um 220.000 (WIFOR-Studie)
Genehmigungen werden durch BSR erteilt, Kanzlerin und 7 Schlüsselministerien. Besprechungen bleiben geheim. Öffentlichkeit erfährt erst durch jährliche Rüstungsexportberichte davon, dann ist alles schon gelaufen.
Regierung ist der Auffassung, BSR sei Gremium ihres exekutiven Gestaltungsspielraums, daher entfalle parlamentarische Kontrolle. Zunehmend wird gefordert, das Parlament einzubeziehen. Rund 10.000 Geschäfte pro Jahr, manchmal sickern die größeren vorher an die Öffentlichkeit, wie bei Saudi-Arabien.
Wenn sich da was ändern soll, muss der öffentliche Druck stärker werden.
Geschäfte mit Waffen sind der Politik und Wirtschaft durchaus peinlich, eine aufdeckende Öffentlichkeit könnte da schon was bewegen, vor allem vor Wahlen.
Ertüchtigen statt Einmischen – spart möglicherweise unser Blut. Aber es sind auch Geschäfte mit dem Blut anderer Völker. DEU muss wissen, was es will. Dazu muss zukünftig mehr hingeschaut – jawoll, durchs Parlament! – und die Bevölkerung informiert werden.
Für Lagebeurteilung evtl. noch zu früh. DS ist sich uneins, keine aktuelle Erklärung dazu.
Frankreichs Kolonialverhalten? Frankreichs Interessen Uranmine Niger?
Schnell gesagt, man ist des Beifalls dann oft sicher. Sehe selbst eher Nebeneffekte.
In Frankreich selbst umstritten:
Sahelbeauftragter im Außenministerium Paganon im Februar nach 8 Monaten schon abgelöst
Der für Westafrika zuständige Diplomat Bigot seiner Zuständigkeit enthoben.
(Er hatte „privat“ Vortrag gehalten, dass er in Mali keinen Politiker sähe, der für eine demokratische Grundordnung kämpfen wolle. Korruption sei überall. Wiederaufbau könne nur durch Malier selbst erfolgen. Forderte „Sprache der Wahrheit.“) Hört sich bekannt an.
Neuer franz. Botschafter in BAMAKO Huberson war vordem für Terrorbekämpfung im Außenministerium zuständig.
Denke selbst, zweites AFG droht nicht, weil die, die da vom Norden her heranbrausten mit Ghaddafis geklauter Munition sind dort Kulturfremde, finden da keinen Rückhalt. Mit Handabhackern und Bibliotheksvernichtern freuen die Malier sich nicht an.
Denke weiterhin, dass Bedrohung Europas hätte entstehen können, da war ja nur noch eine Brücke vor BAMAKO zu überwinden, wir haben einen Freundschaftsvertrag mit Frankreich und das, was wir dort als DEU jetzt leisten, geht für mich in Ordnung, aber darüber gabs bei uns im DS schon sehr unterschiedliches zu hören. VR sehe ich nicht tangiert, UNO hat zugestimmt, Bevölkerung will FRAs Eingreifen offenbar auch.
Wenn wir da völlig abseits stehen würden, nicht mal diese Geste eher jetzt, können wir uns das tonnenweise Bedrucken von Papier über gemeinsame Europäische VerteidigPolitik sparen.
Ich hab mir die Gegend mal angesehen, jetzt wieder auf der Karte, war vordem auch öfter pers. da, es geht um den 10. nördlichen Breitengrad zwischen Mauretanien und Somalia sowie alles nördl. davon, nehmen Sie mal den alten Schulatlas zu Hand, das sind insgesamt 29 Länder, zusammen 650 Millionen Menschen, davon 400 Millionen Muslime.
Wir müssen als Europäer also genau überlegen, wie wir mit diesen südlichen Nachbarn umgehen. Im Moment bin ich noch eher zuversichtlich, dass nichts grosses draus wird, aber es kann länger dauern, Ertüchtigungen brauchen ihre Zeit.
Die immens hohe Einschaltquote beim Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ hat gezeigt, wozu unsere Großeltern oder Eltern imstande waren. Ohne diese unverheilten Wunden würden wir uns niemals so mit der Frage herumquälen, wieweit wir unseren Partner Frankeich nun in Mali unterstützen sollten. Unsere Vergangenheit wird noch Thema für alle, die hier stehen, bis an ihr Lebensende sein und womöglich auch noch eine Generation mehr. Das Kapitel ist nicht abgeschlossen. „Nach 60 Jahren?“ fragte Theo Sommer seinen Freund Helmut Schmidt. Der knurrte zurück: „Vielleicht auch hundertsechzig.“
General Halbauer im Kosovo sagte jetzt, „in den Köpfen der Militärs haben wir es gedreht bekommen. Die Gesellschaft hat diese Umdrehung nicht mitgemacht.“
Ich frage: Wie lange können denn gedrehte Streitkräfte in der Mitte so einer Gesellschaft verbleiben, die sich nicht drehen lassen will? In AFG unterstützen DEU in Uniform eine Regierung, die nicht unseren demokratischen Kriterien entspricht, bei der Bekämpfung von Aufständischen. Für die Väter der Inneren Führung unvorstellbar. Der Wegfall der Wehrpflicht kann für geistige Ausrichtung und das innere Klima der Bundeswehr noch dramatische Folgen haben. Seht mal genau hin, was aus dieser Armee noch wird!
Jeder Einsatz, jedes Kämpfen lässt sich nur durch die im Grundgesetz verankerten Werte rechtfertigen, da gibt es nichts dran zu drehen. Ob unsere Regierung und die militärische Führung der besorgniserregenden Entwicklung entgegentreten wollen bzw. können, ist nennenswert zweifelhaft, auch, ob die Opposition dafür die richtigen Köpfe hat.
Kritische Öffentlichkeit und die Medien sind die vorletzten Auffanglinien auf dem Weg zum Absturz.in falsche Richtungen. Dass die Bevölkerung sich informiert, ist ganz ganz wichtig!
Die letzte Sicherungslinie jedoch ist stets das eigene Gewissen, in Sachen des Gewissens ist keine Regierung zuständig, kein Parlament, keine Mehrheit. Jeder selbst hat sich zu prüfen.
Meine letzen Sätze für Sie zu Ostern:
Wer heute in die Bundeswehr eintritt, sollte sich genau überlegen, ob er mit all dem gesagten klarkommen würde. Zweifellos gibt es solche Menschen. Befragt Euer Gewissen aber ganz intensiv, wie Helmut Schmidt schon empfahl, das gilt auch für diejenigen, die ihre Kinder in diese Richtung ziehen lassen oder für diesen Weg bestärken wollen.
Jungs mit 17, abenteuerlustig wie sie sind, sind schnell dabei – ich war auch so einer – und der eine oder andere von denen sagt sich wohl auch, bin ich erst in AFG, dann können mich meine Alten nicht mehr nerven. Es geht aber eben nicht mehr nur um Verteidigung unseres Landes, darüber sollte man viel nachdenken, was das bedeuten kann. Bei diesem Nachdenken dürfen wir die jungen Leute nicht allein lassen. Das ist ja nun der Vorteil von uns Älteren, wir übersehen nun mal Zeiträume. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.
Michael Lindner ist Oberstleutnant der Reserve und Mitgleid im Darmstädter Signal.r
Veröffentlicht von mwengelke am Samstag, März 30th, 2013 @ 3:04PM
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