Verabschiedung des Vorstandes
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Während der 103. Tagung des Förderkreises Darmstädter Signal im Arbeitnehmerzentrum Königswinter wurde der vormalige langjährige Vorstand am Samstag, den 24. Oktober 2020 verabschiedet. Leider konnten die Schriftführerin Christa Breuer und der Geschäftsführer Dr. Gerd Pflaumer coronabedingt nicht selbst erscheinen. Der stellvertretende Vorsitzender Ulrich Frey nahm stellvertretend für die Abwesenden den Dank und launigen Worte des Vorsitzenden Jürgen Rose sowie das Geschenk als Zeichen für die Anerkennung und Dankbarkeit für die geleistete Arbeit entgegen.
Ulrich Frey verlas einen Beitrag von Gerd Pflaumer überbrachte die Grüße von Christa Breuer und fügte selbst Erinnerungen an den Gründer des Darmstädter Signals hinzu. Die Beiträge sind hier dokumentiert.
Liebe Freundinnen und Freunde,
mein Entschluss, nicht an Eurer Tagung teilzunehmen, ist mir ausgesprochen schwer gefallen, zumal ich in Bad Honnef und damit nur wenige Km entfernt vom AZK lebe.
Die Gründe für mein Fernbleiben hat Euch Ulrich Frey meiner Bitte entsprechend schon erläutert.
Nachfolgend möchte ich über einige wichtige Erlebnisse im DS während meiner jetzt 34jährigen Mitgliedschaft im Förderkreis berichten.
Wie viele unter den älteren Förderkreis-Mitgliedern war es Helmuth Prieß, der mich kurz nach Gründung des Förderkreises 1986 zum Eintritt bewogen hat. Ich habe Helmuth schon kurz nach unserem Umzug 1972 nach Swisttal kennen gelernt, denn wir gehörten demselben SPD-Ortsverein an. Er war damals schon im Gemeinderat, ich seit Anfang der 80er Jahre im Vorstand der SPD Swisttal.
Helmuth hätte mich damals auch schon gleich gerne im Förderkreis-Vorstand gesehen, was ich aus beruflichen Gründen als Ministerialbeamter abgelehnt habe.
Nichtsdestoweniger habe ich regelmäßig an Veranstaltungen des Signals teilgenommen, wobei mir einige Highlights noch in guter Erinnerung sind, vorweg die Bonner Hardtberg-Gespräche mit vielen Prominenten als Rednern, darunter fallen mir besonders ein Günter Grass, Heinrich Böll, Luise Rinser. Alfred Mechtersheimer, Karl-Heinz Koppe (Pax Christi), Franz Alt und von den Politikern u.a. Egon Bahr und Kurt Biedenkopf. Mehrfach eingeladen waren damals auch der frühere Verteidigungsminister Wörner und hochrangige Militärs von der Hardthöhe, die – kein Wunder – nie kamen, zumal sie mit heftiger Kritik an der damaligen deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik rechnen mussten.
Gut in Erinnerung sind mir auch die häufigen Tagungen auf der Frankenwarte in Würzburg und in einem Hotel in Bornheim.
Andere Höhepunkte waren die Teilnahme gemeinsam mit Helmuth Prieß und seiner Frau Anne sowie weiteren uns bekannten FriedensfreundInnen am 20. Evangelischen Kirchentag in Hannover, wo Helmuth erstmals als Soldat vor großem Publikum sprach. Auch bei den großen Demonstra-
tionen im Bonner Hofgarten und in der Rheinaue waren wir zusammen.
Ein besonderes Ereignis war die Verleihung des Gustav-Heinemann-Bürgerpreises an Helmuth mit einer Festansprache von Herta Däubler-Gmelin im Rastatter Schloss. Helmuth hatte dafür in Swisttal extra einen großen Reisebus angemietet, der fast nicht ausreichte, um alle seine FreundInnen und Bekannten mitzunehmen.
Da ich seit den frühen 80ern als friedenspolitischer Sprecher der vor Jahren mit der Humanistischen Union fusionierten Gustav-Heinemann-Initiative dem Bonner Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung angehörte, habe ich Helmuth Prieß, der ebenso wie das DS nicht dem Ausschuss angehörte, sondern nach meiner Erinnerung nur einmal als Gast bei einer Sitzung war, auf seine Bitte hin ständig informiert, was im Koordinierungsausschuss diskutiert bzw. beschlossen worden war.
Abschließend noch eine schöne Erinnerung: der Festakt im gut gefüllten Saal des Bonner Hauses der Geschichte anlässlich des 25jährigen Jubiläums der Gründung des Arbeitskreises Darmstädter Signal mit Egon Bahr als Festredner.
Aus Zeitgründen versage ich mir weitere Erinnerungen.
Ich habe während meiner langjährigen Mitgliedschaft viele Vorsitzende des Förderkreises erlebt:
Freiherr v.Sell, Horst-Eberhard Richter, Gernot Erler (wohl die schwierigste Phase im DS wegen erheblicher inhaltlicher Konflikte zwischen Arbeits- und Förderkreis, vor allem wegen Kosowo), ab 2001 Konrad Gilges (ab diesem Jahr hat mich, nachdem ich in Pension gegangen war, Helmuth Prieß endlich für den Förderkreis-Vorstand als Geschäftsführer geködert), Karl Demmer und seit 2019 Jürgen Rose.
Mein Amt als Geschäftsführer, das ich immer gerne ausgeübt hatte, habe ich im Herbst 2019 nach 19 Jahren aus Altersgründen (ich nähere mich bald 85) abgelegt, denn es war Zeit für eine Staffelübergabe an Jüngere.
Ich bin froh, dass in der Person von Matthias Engelke ein engagierter Nachfolger im meinem bisherigen Amt gefunden worden ist.
Ich werde dem Darmstädter Signal auch als passives Mitglied weiterhin gerne verbunden bleiben und wünsche dem Signal in diesen friedenspolitisch so schwierigen Zeiten weiterhin viel Erfolg.
In der Hoffnung auf baldiges Wiedersehen bei einer Tagung grüße ich Euch herzlich.
Gerd Pflaumer
Beitrag zum 103. Arbeitstreffen des DS am 24.10.2020 im AZK Königswinter
Erinnerung an Helmuth Prieß
Liebe Freunde,
Jürgen Rose hat mich zu diesem Abend eingeladen, Abschied zu nehmen vom letzten Vorstand des Förderkreises Darmstädter Signal. Darüber habe ich mich sehr gefreut und bin aus alter Verbundenheit über viele Jahre gerne gekommen. Herzlichen Dank für diese Gelegenheit, Euch zu sehen! Jürgen Rose hat mich um zwei kleine Beiträge gebeten: Ich widme sie Helmuth Prieß, der mich für die Mitarbeit im Förderkreis gewonnen hat. Er war ein großartiger „Menschenfischer“. Die Entschuldigungen von Christa Breuer, unserer langjährigen Schriftführerin, in deren Wohnzimmer der Vorstand des Förderkreises zusammen mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises immer tagen durfte, und die von Gerd Pflaumer überbringe ich noch einmal. Unseres letzten Vorsitzenden, Dr. Karl Demmer, können wir leider nur noch gedenken
Ich möchte Helmuth Prieß Dank sagen mit zwei Erinnerungen:
11.Juni 1983 in Hannover beim 20. Deutschen Evangelischen Kirchentag
Der 20. Deutsche Evangelische Kirchentag vom 8.-12. Juni 1983 in Hannover stand unter dem Motto: „Umkehr zum Leben“. Die Friedenskampagne „Umkehr zum Leben-Die Zeit ist da für ein Nein ohne jedes JA zu Massenvernichtungswaffen“ nahm es zum Anlass, mit einem violetten Halstuch, das auch als Kopftuch, Babytragetuch, Schärpe oder Stirnband getragen wurde, zur Buße aufzurufen. Die theologische Grundlage dafür war die Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes zu den Kernwaffen. Der Mit-Initiator Arnd Henze, Student der evangelischen Theologie, Erfinder des violetten Tuches, und späterer Fernseh-Auslandskorrespondent im ARD-Hauptstadt-Studio, meinte damals: „Es wird gesagt, die Stationierungsfrage ist eine politische Ermessensfrage, die uns wohl nicht betrifft. Wir aber sagen, da ist der Glaube gefragt“. Violett ist die Farbe der Buße. Der Kirchentag wurde violett – zunächst gegen den Widerstand des Kirchentagspräsidiums unter Erhard Eppler. Ich gehörte damals als Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) zu den Organisatoren der Kampagne.
Unter uns war der Major der Bundeswehr Helmuth Prieß. Wir hatten ihn im Zuge der Vorbereitungen für die Kampagne kennen- und schätzen gelernt. Er vertrat wie wir die Position, der NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 dürfe nicht ausgeführt werden, um Mitteleuropa vor der wahrscheinlichen atomaren Vernichtung zu bewahren.
Der NATO-Beschluss hatte zwei Teile:
1. Die Aufstellung neuer mit Atomsprengköpfen bestückter Raketen und Marschflugkörper – der Pershing II und BGM-109 Tomahawk – in Westeuropa an. Begründung: Modernisierung und Ausgleich einer Lücke in der atomaren Abschreckung, die durch die Stationierung der sowjetischen SS-20 entstanden war.
2. Forderung nach bilateralen Verhandlungen der Supermächte über die Begrenzung ihrer atomaren Mittelstreckenraketen (Intermediate Nuclear Forces – INF – mit einer Reichweite zwischen 1000 und 5500 km) in Europa.
Falls die Verhandlungen zu keinem Erfolg führten, sollten die Raketen und Marschflugkörper installiert werden. So geschah es. Am 22. November 1983 beschloss der Deutsche Bundestag mehrheitlich die Aufstellung. Ab Dezember 1983 wurde der Beschluss ausgeführt.
Das war die politische Situation zur Zeit des Kirchentages. Helmuth Prieß entschied sich nach vielen Überlegungen, während des Kirchentages bei einer Demonstration und Kundgebung zur Unterstützung der Kampagne zu sprechen. Die Kampagne fand – auch mit Hilfe des Geschäftsführers des Kirchentages Heinz Steege – einen Platz außerhalb des Messegeländes für die Kundgebung am 11. Juni 1983, an dessen Lage ich mich aber nicht mehr genau erinnern kann. Wir organisierten einen langen Demonstrationszug vom Messegelände dorthin. Mehrere Redner und wohl auch Rednerinnen traten an das Mikrofon, unter ihnen Helmuth Prieß. Er erklärte: „Als Soldat der Bundeswehr solidarisiere ich mich mit denen, die tatsächlich Frieden schaffen wollen mit weniger Waffen. Und ich ergänze: Jeder Soldat auf dieser Welt ist ein Soldat zu viel!“1 Dieses Wort brachte ihm viel Kritik in der Bundeswehr und in der Öffentlichkeit ein. Helmuth war nicht allein und nicht der Erste. Auch schon vorher hatte es Aktivitäten von Soldaten gegeben, u.a. in Uniform bei der Kundgebung und Demonstration am 10. Oktober 1981 auf der Bonner Hofgartenwiese.
Am 24. September 1983 wurde dann das Darmstädter Signal (DS) in Darmstadt von 20 aktiven Soldaten mit einer öffentlichen Erklärung zur geplanten Stationierung mit dem Titel „Aktive Soldaten und Mitarbeiter der Bundeswehr sagen NEIN zur Stationierung neuer Atomraketen in unserem Land“ gegründet. Das DS wurde eine der aktivsten Fachorganisationen, die die Friedensbewegung in der Breite der Gesellschaft verankerte. Die öffentliche Erklärung des DS wurde schnell zu „einem verbindlichen Positionspapier“ gegen die Politik der Regierung Kohl und der entsprechenden Ausrichtung der Bundeswehr. Deren Führung betonte die Notwendigkeit der atomaren Nachrüstung und bestritt unter Bezug auf § 15 des Soldatengesetzes ausdrücklich das Recht der Soldaten, diese Politik zu kritisieren. Das Handeln der Unterzeichner im Sinne der Erklärung vom 24.9.21983 wurde als „unzulässige politische Betätigung“ und als Dienstvergehen bewertet. Das DS wehrte sich dagegen, indem es auf das „verfassungsgemäße Grundrecht“ verwies, „uns als ‚Staatsbürger in Uniform‘ und als zivile Mitarbeiter der Bundeswehr außerhalb des Dienstes politisch zu betätigen. Die Beachtung des § 15 SG ist für uns Soldaten eine Selbstverständlichkeit, so dass für eine diesbezügliche Belehrung kein Anlass besteht“. Das DS selbst verbreitete den Aufruf in den Kasernen nicht.
Die Soldaten des DS forderten („Staatsbürger in Uniform“) mit ihrem Sprecher Helmuth Prieß u.a. (Stichworte):
- Fortsetzung der Entspannungs- und Verständigungspolitik,
- Konkrete Schritte zur Abrüstung
- deutsche Vorleistungen beim Abbau von Massenvernichtungswaffen
- Schaffung atomwaffenfreier Zonen in Europa nach Palme-Plan
- Defensive Rüstung der Bundeswehr
- Verringerung des Rüstungsexportes in Länder der sog. 3. Welt.
Das war ein kurzer Hinweis auf die Saat, die Helmuth Prieß gelegt hat.
Kurz vor dem Tod
Helmuth, geboren am 18. März 1939 in Hildesheim, starb am 26. April 2012 mit 73 Jahren in Bonn. Ich erinnere mich an eine Sitzung des Förderkreis-Vorstandes, die letzte mit ihm kurz vor dem Sterben. Wir sahen alle, in welch schlimmen Zustand ihn der Krebs und die medizinischen Behandlungen versetzt hatten. Ich fürchtete im Stillen um sein Leben. Ich saß neben ihm. Er hatte die Ärmel aufgeschlagen und ich sah die vielen dunklen Flecken auf seinen Armen, Anzeigen der Einstiche bei Bluttransfusionen. Helmuth wirkte schwach, nahm aber wie immer klar argumentierend und aktiv an der Diskussion teil. Diese tapfere Haltung bewunderten wir alle, die mit ihm am Tisch saßen. Er strahlte trotz aller körperlichen Leiden Würde und Mitmenschlichkeit aus. So war es immer in seinem oft bedrängten beruflichen Leben in der Auseinandersetzung mit der Leitung der Bundeswehr. Ein kleines Zeichen dafür war, dass er in Briefen in der Regel den Adressaten handschriftlich und mit Namen ansprach. Oberstleutnant Helmuth Prieß, Ehrenvorsitzender des DS, wurde für sein Engagement vielfach geehrt (Gustav-Heinemann Bürgerpreis 1984,Clara-Immerwahr-Auszeichnung der IPPNW 1992, Bundesverdienstkreuz am Bande 1996, Ehrenmedaille mit Nadel der Gemeinde Swisttal 2011).
Und nun meine Hoffnung für die Zukunft: Dem Förderkreis und dem Arbeitskreis Darmstädter Signal wünsche ich alles Gute und seinen Vorständen Erfolg für die nicht leichte Arbeit. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Begegnungen mit vielen am Frieden engagierten prächtigen Menschen im Darmstädter Signal. Die Zeit mit Euch hat mir Erfahrungen und Informationen vermittelt, die ich anderswo so nicht gewinnen konnte.
Bad Honnef, 24.10.2020 Ulrich Frey
1Lothar Liebsch, Frieden ist der Ernstfall. Die Soldaten des Darmstädter Signals im Widerspruch zwischen Bundeswehr und Friedensbewegung, Verlag Winfried Jenior, Kassel 2003, S. 23ff.
Veröffentlicht von mwengelke am Dienstag, Oktober 27th, 2020 @ 11:53PM
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