Hybride- Cyber- und Roboterkämpfer (Seminarnachlese)
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Unser Grundsatz
Der Arbeitskreis respektiert die Rolle der Bundeswehr als Bestandteil der Verteidigung unserer demokratisch verfassten Gesellschaft auf der Basis des Grundgesetzes und des Völkerrechts.
Wir begleiten kritisch die Politik hinsichtlich des Auftrags der Streitkräfte, deren Bindung an Moral und Gesetze, die Umsetzung des Staatsbürgers in Uniform sowie nichtmilitärische Alternativen der Konfliktbewältigung.
Das 96. Seminar der Kritischen Soldaten (Darmstädter Signal) vom 11.-13. November in Königswinter bei Bonn war ein voller Erfolg. Über 50 Teilnehmer konnten sich zum Tagungsthema „Neue Kriege und die Bedeutung für die Bundeswehr“ weiterbilden und mit den Referenten die aktuellen Themen wie Hybrider Krieg und Cyberwarfare intensiv diskutieren.
Den Auftakt bildete Prof. Dr. Wilfried Schreiber, langjähriges Mitglied im Darmstädter Signal. Er beschrieb zur Einleitung die sogenannten „Neuen Kriege“ und stellte zunächst fest, dass diese bislang nur begrenzt geführt worden sind. Dies trifft sowohl auf ihre geographische Ausbreitung als auch auf ihre Intensität und den Waffeneinsatz darin zu. Das bedeutet aber auch, dass sie zukünftig entgrenzt geführt werden können. Neue Kriege zeichnen sich demnach durch ihre asymmetrischen als auch hybriden Eigenschaften aus. Zum Teil finden sie als Bürgerkriege, Sezessionskriege sowie unter anderem auch als Stellvertreterkriege statt. Damit sei schon lange, so Schreiber, das historische Streitkräftemodell der europäischen Armeen in Frage gestellt. Zudem handele es sich meist um High-Tech-Kriege mit Drohnen, Laser, Überschall, Raketenabwehr, Computerisierung und dem Kampf im Informationsraum.
Alle genannten Eigenschaften besitzt prinzipiell auch ein großer Krieg. Wichtiger Unterschied zu vergangenen großen Kriegen und Konflikten sind aber vor allem die neuen und vielfältigen Unwägbarkeiten und Gefahren, einen neuen Krieg auszulösen. Der bisherige Entscheidungsspielraum der Konfliktparteien, es zu einem Krieg kommen zu lassen oder nicht, ist durch die unüberschaubare Anzahl aufgewachsener Unwägbarkeiten verloren gegangen. Für Schreiber ergibt sich daraus eine große Herausforderung für den Kampf um den Frieden: Auch weiterhin besteht das Risiko der Auslöschung beim Kampf auf dem eigenen Territorium. Wie zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes gilt, dass ein Krieg mit Kernwaffen nicht mehr führbar ist, weil er die vollkommene Vernichtung der eigenen Existenz zur Folge hätte. Mit einem Kernwaffenkrieg wäre damit das Ende der Politik erreicht. Auch ein konventioneller Krieg ist in Europa nicht mehr führbar, ohne die Zivilisation nachhaltig zu gefährden. Bereits jetzt seien aber auch schon die dramatischen Folgen der begrenzt geführten Neuen Kriege in Europa spürbar. Es zeigt sich durch die Flüchtlingskrise, dass es keine Form des Krieges mehr gibt, die ohne spürbare Konsequenzen bleiben. Die Folgen für unsere Außen- und Sicherheitspolitik lauten damit auch für Schreiber: mehr Verantwortung. Allerdings soll deren Ausgestaltung eklatant anders aussehen, nämlich als Verantwortung zur Sicherung des Friedens in Europa.
MdB Dr. Ute Finckh-Krämer zum Weißbuch und den Leitlinien ziviler Krisenprävention
Am nächsten Tag stellte die Bundestagsabgeordnete Ute-Finckh Krämer ihre kritische Sicht zum Weißbuchprozess vor. Dieser sei zwar partizipativ unter Einbeziehung der Fachöffentlichkeit angelegt gewesen, allerdings haben diese Expertenmeinungen oft keinen Eingang in das Endprodukt Weißbuch 2016 gefunden. Gerade im Cyberbereich haben zum Beispiel alle Experten einhellig festgestellt, dass das Militär keine Rolle in der Abwehr ziviler und kritischer Infrastrukturen zu spielen hat. Am Ende des Prozesses verkündete die Ministerin trotzdem den Aufbau des neuen Cyberkommandos der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr. Anstatt das Expertenwissen einfließen zu lassen, werden vor allem die Handlungsweisen der letzten zwanzig Jahre gerechtfertigt, und erklärt, wie man die Bundeswehr inzwischen überall einsetzen kann. Noch immer tut sich die Bundeswehr, so Finckh-Krämer, mit einer konfliktfreudigeren Diskussionskultur im Gegensatz zu anderen Ämtern und Behörden sehr schwer. Als besseres Beispiel führte sie den Review Prozess des Auswärtigen Amtes an, bei dem bereits strukturelle Konsequenzen durchgesetzt wurden. So wurde sinnvollerweise die Abteilung Abrüstung mit der UN-Abteilung zusammengelegt, weil die meisten Abrüstungsinitiativen dort gestartet und verhandelt werden. Auch die zivile Krisenprävention wurde mit der humanitären Hilfe zusammengelegt, um Effizienzsteigerungen zu erzielen. Letztlich wurde von Ute Finckh-Krämer noch das PeaceLab2016 vorgestellt. An diesem neuen und wichtigen Beteiligungsprozess zu den neuen Leitlinien ziviler Krisenprävention wird sich auch das Darmstädter Signal beteiligen und einbringen. Ob dieser Beteiligungsprozess größeren Erfolg und Einfluss haben wird als jener des Weißbuchprozesses, bleibt abzuwarten.
Dr. Niklas Schörnig zu Krieg mit autonomen Waffen und Robotern
Dr. Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), stellte den aktuellen Stand autonomer Waffen und Roboter vor. Die Möglichkeiten der neuen Kriegführung sind, so der Referent, Outsourcing an Söldner, Arbeitsteilung durch Allianzen, Einsatz von Spezialeinheiten, Cyberwar sowie Robotisierung bzw. Automatisierung. Bereits heute seien die Ziele des US-Kongresses längst erreicht, wonach je ein Drittel aller Flugsysteme sowie aller Bodensysteme unbemannt sind. Bereits heute haben 75 Staaten bewaffnete Drohnen eingesetzt. Deren Nachfrage und Einsatz nimmt in den letzten Jahren dramatisch zu und ist Auslöser einer enormen Proliferationswelle.
Wozu die heutige Roboter bereits technisch in der Lage sind, verdeutlichen Videos auf YouTube:
sowie dieses Video: dieses Video.
Der Trend zu autonomen Systemen begann bisher durch den Drohneneinsatz in unumkämpftem Luftraum zur Unterstützung der Infanterie vor allem in asymmetrischen Kriegen. Allerdings sei die nächste Generation der Systeme schneller, besser bewaffnet, vom Radar nicht erkennbar und auch einsetzbar in zwischenstaatlichen Kriegen. Dabei werden Wegfindung und Steuerung, Zielerkennung- und Klassifizierung automatisiert um spezifische Probleme der bisherigen Fernsteuerung wie Signallatenz, Störungs- und Jammingbeeinträchtigung zu beheben. So kann es also auch aus militärischen Gründen sinnvoll sein, Drohnen mit autonomen Eigenschaften auszustatten. Das Gegenargument vor allem von Drohnenbefürwortern, wonach Militärs immer die Kontrolle behalten wollen und deshalb eine Gefahr des automatisierten Roboterkrieges ausgeschlossen sei, bezeichnet Schörnig als „wishful thinking“ – schließlich gibt es deutlich mehr rationale Gründe, die für eine Automatisierung sprechen.
Die Gefahren sieht Schörnig im ethischen und sicherheitspolitischen Bereich, in welchem auch die Entscheidung „für“ oder „wider“ gefällt werden muss. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob das Töten von Menschen durch Algorithmen ethisch vertretbar ist und wer die moralische Verantwortung übernimmt. Als größte Gefahr sieht Schörnig, dass sich die menschliche Empörung schnell abschleift und die Nutzung der Waffen infolge ihres konsequenten und erfolgreichen Einsatzes bald nur noch von Wenigen als Problem wahrgenommen wird. Die Politik, das Militär und die Gesellschaft muss entscheiden, wie sie zu einer Beschleunigung des Kampfgeschehens steht. Auch andere Gefahren wie z.B. die des ConfirmationBias („Computer wird schon das richtige Ziel vorschlagen“), der Sicherheits- und Verlässlichkeitsprobleme durch Hackerangriffe sowie das teilweise unberechenbare/unerwartete Softwareverhalten könnten auch Kriege aus Versehen beginnen lassen. Gefährlich sei auch, dass eine Abwärtsspirale im Bereich der menschlichen Kontrolle stattfinden könne. So kündigen jetzt noch die meisten Militärs an, selbst die Steuerung zu übernehmen (so auch die Bundeswehr) und die Kontrolle zu behalten. Was aber, wenn der Gegner diese Kontrolle zugunsten der schnelleren Computersteuerung aufgibt? Wahrscheinlich werden dann auch die anderen Kriegsparteien die militärischen Nachteile schnell ausgleichen, indem sie den Krieg weiter automatisieren.
Hier ein Video zur ethischen Debatte der Roboter, u.a. mit Prof. Dr. Arkin (Roboterbefüworter):
Interessant ist auch die Dokumenation der Veranstaltung der ZEBIS hier. Eine kritische Kampagne „Stop Killer Robots“ fasst ihre Kritik hier auf englisch hier zusammen. Eine weitere Zusammenfassung findet sich bei „Neues Deutschland“ hier. Eine dystopische Vision des zukünftigen Roboterkrieges hat bereits Hollywood gezeichnet. Eine Szene daraus findet sich wiederum auf Youtube. Eine ausführliche Übersicht über die Bemühungen der Bundeswehr im Cyber- und Informationsraum stellt netzpolitik.org zur Verfügung.
Cyberkrieg und Cyberpeace
Prof. Dr.-Ing. Dietrich Meyer-Ebrecht und Stefan Huegel vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF e.V.) zeigten in einem Doppelvortrag die Gefahren und Sphären des Krieges im Cyberraum sowie eine mögliche Alternative dazu auf. Hierzu heißt es im Weißbuch 2016: „Informationen, ihre Verteilung, Wahrnehmung und Interpretation sind kritische Faktoren und Ressourcen in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Der Informationsraum ist der Raum, in dem Informationen generiert, verarbeitet, verbreitet, diskutiert und gespeichert werden. Der Cyberraum ist der virtuelle Raum aller weltweit auf Datenebene vernetzten bzw. vernetzbaren informationstechnischen Systeme. Dem Cyberraum liegt als öffentlich zugängliches Verbindungsnetz das Internet zugrunde, welches durch beliebige andere Datennetze erweitert werden kann.“ Eine technische Erläuterung des Vorgehens muss an dieser Stelle aus Platzgründen leider unterbleiben. Fest steht aber, dass Krieg im grenzenlosen Cyberspace ernsthafte Kollateralschäden auch im zivilen Bereich verursachen kann. Gefahren sind dabei das unbeabsichtigte Auslösen von Kriegen, die Kompromittierung der Sicherheit ziviler Systeme und unerwünschter Technologietransfer durch Spionage. Das wesentliche Problem im Cyberspace ist das Attributionsproblem (woher?), welches eine hohe Eskalationsgefahr zur Folge hat. Im Konzept „Cyberpeace“ stellt der Verein dabei Forderungen auf, um den Cyberraum nicht zu einer Kampfzone werden zu lassen. Dabei fordern sie unter anderem das Verbot aller Arten von Cyberwarfare, die garantierte Integrität eines friedlich genutzten und geschützten Internets, Rüstungskontrolle von Cyberwaffen, und die Vorschrift, IT-Schwachstellen öffentlich zu machen, damit sie von Kriegsparteien nicht genutzt werden können. Link zur Kampage: http://cyberpeace.fiff.de/Kampagne
Hybrider Krieg aus deutscher und russicher Sicht
Am Sonntag bildeten vor allem die Vorträge von Oberst i.G. Dr. Uwe Hartmann vom Kommando Heer in Straußberg und Oberst a.D. Siegfried Lautsch zum Thema „Hybride Kriegführung“ den Abschluss des Wochenendseminars. Hybride Kriegführung, so das Weißbuch, ist dabei ein Vorgehen, das „auf die subversive Unterminierung eines anderen Staates ab(zielt). Der Ansatz verbindet verschiedenste zivile und militärische Mittel und Instrumente…“ Sie enthält also zivile und militärische Mittel, verschleiert ihre Absicht und Zurechenbarkeit und umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche. Auch deshalb sei die Widerstandskraft der Gesellschaft (Resilienz) so wichtig, um dagegen vorzugehen. Als Beispiele nannte Hartmann das Vorgehen Russlands in der Ukraine sowie Chinas im südchinesischen Meer. Lautsch vertrat dabei die Sichtweise Russlands und stellte fest, dass es sich bei der „Gerassimov Doktrin“ nicht um den Plan der Russen handle, von nun an hybride Kriege zu führen, sondern vor allem eine Lagefeststellung und genaue Beobachtung aktueller Geschehnisse sei. Diese genaue Beobachtung und das Studium der „Kunst des Krieges“ hätten die NATO-Militärs bereits längst verlernt oder nicht mehr praktiziert. Hartmann berichtete auch von einer durchgeführten Simulation (War Gaming) unter analytischer Zuhilfenahme des PMESII-Modells (Political, Military, Economy, Social, Infrastrcture, Information), um die hybride Betätigung in allen Bereichen feststellen und messen zu können. Die wesentliche Erkenntnis dabei sei vor allem die Feststellung gewesen, dass die NATO ein bedenklich langsamer und träger Akteur sei. Während beim hybriden Angreifer mit zunehmender Dauer des Konflikts die militärischen Mittel immer weiter zurückgehen, sei dabei die NATO erst viel zu spät mit Militär zu Stelle und werde von allen als der eskalierende Faktor wahrgenommen. Als Gegenmodell und Reaktion stellt Hartmann dabei vor allem wieder das Konzept der Inneren Führung in den Mittelpunkt seines Vortrags. Da hybride Kriege vor allem ideologische Konflikte sind, ist der entscheidende Wettlauf nicht im Rüstungsbereich sondern auf geistigem Gebiet zu führen. Hartmann fordert daher vor allem eine rigorose Analyse von Verwundbarkeiten und ein besseres Verständnis von Staatsbürgerlichkeit. Ebenso wie viele kritische Soldaten im Darmstädter Signal, wünscht er sich eine bessere Diskussions-, Wahrheits-, Streit-, und Fehlerkultur und die Fähigkeit zur Selbstkritik. Auch Siegfried Lautsch traf auf offene Ohren, als er der Bundeswehr attestierte, überhaupt kein genaues Lagebild mehr zu haben. Für ihn haben Kommandeure, die ihren Soldaten keinen genauen Auftrag vermitteln können, versagt. Eine Innere Führung kann daher auch nicht gelebt oder umgesetzt werden, solange der Auftrag völlig unklar ist – so wie beim derzeitigen Einsatz der Bundeswehr in Litauen. „Jedem muss klar sein, dass Truppen im Baltikum (im Kriegsfall) nicht verstärkt werden können“, so Lautsch.
Veröffentlicht von mwengelke am Montag, November 21st, 2016 @ 12:18PM
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